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Wache unterm Weihnachtsschmuck. Schwer bewaffnete Polizisten laufen derzeit durch den Hauptbahnhof. Foto: Reuters/Tobias Schwarz

© REUTERS

Nach Terrorwarnung: Waffen gehörten nun zum Alltagsbild - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren fanden Polizisten mit Maschinenpistolen nicht alle beruhigend. Die meisten Berliner blieben aber gelassen. Was Johannes Radke darüber schrieb.

Pitt Voigt steht im Regen und packt Kerzen aus, Kerzen für seinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Er macht, was er jedes Jahr macht gut eine Woche vor dem ersten Advent, und er sieht keinen Grund, warum er sich dieses Mal Sorgen machen sollte. Dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor einem Anschlag islamistischer Terroristen in Berlin gewarnt hat, macht ihn nicht unruhig. Auch nicht, dass Experten fürchten, vor allem große Menschenansammlungen wie Weihnachtsmärkte könnten Ziele solcher Anschläge werden. „In Deutschland sind die Terroristen bisher immer gescheitert“, sagt er. „Ich habe da Vertrauen in die Polizei.“ Voigt befürchtet auch nicht, dass die Leute wegen der Warnungen zu Hause bleiben und er weniger Umsatz macht. „Ich glaube, dass die Leute schon abgestumpft sind, was solche Warnungen angeht. Die werden da jetzt kurz drüber nachdenken und trotzdem kommen.“ Voigt ist nur einer von vielen gelassenen Schaustellern auf dem Weihnachtsmarkt. Von Angst oder Unruhe ist hier nichts zu spüren. Der Inhaber eines Mützenstandes hat von den Terrorwarnungen noch nicht mal etwas mitbekommen.

Die Organisatoren des Weihnachtsmarkts haben trotzdem Vorkehrungen getroffen. Die Zahl der Sicherheitskräfte sei zwar nicht aufgestockt worden, man habe sie aber noch mal konkret für die aktuelle Lage sensibilisiert, sagt Christian Wagner, Sprecher des Berliner Schaustellerverbandes. Der Verband hat außerdem ein Rundschreiben an alle Schausteller verschickt, damit auch sie wachsam sind und verdächtige Personen oder herumstehende Pakete sofort melden. „Wir können keine Mauer um das Gelände aufbauen und auch nicht bei jedem Besucher die Taschen kontrollieren“, sagte Wagner. „Aber wir sind sicherheitstechnisch ausreichend aufgestellt und arbeiten in engem Schulterschluss mit der Polizei.“

Die Bundespolizei will zu ihren Maßnahmen aus Sicherheitsgründen keine Auskunft geben, wie ein Sprecher mitteilte. „Offensichtlich ist aber die erhöhte Präsenz an den Flughäfen und Bahnhöfen – da sind wir sehr aufmerksam“.

Am Hauptbahnhof patrouillieren an jedem Eingang zwei Beamte. Sie tragen Maschinenpistolen, über ihren blauen Uniformen heben sich die grünen Schutzwesten deutlich ab. Manche Reisende gehen mit etwas verwunderten Blicken an ihnen vorbei. Sicherer fühlen sie sich aber nicht unbedingt: „Wenn hier jemand einen Anschlag verüben will, richten zwei Polizisten mit Maschinengewehren da auch nicht viel aus“, sagt ein Reisender aus Regensburg. Immerhin werden im Gepäckcenter des Hauptbahnhofs die dort abgegebenen Koffer durchleuchtet wie am Flughafen. Das ist aber nicht erst seit der Terrorwarnung vor zwei Tagen so, sondern schon seit der Eröffnung des Hauptbahnhofs vor vier Jahren.

Auch die Beamten, die vor den Botschaften der USA und Großbritanniens in der Nähe des Brandenburger Tores postiert sind, sind mit Maschinenpistolen und kugelsicheren Westen ausgestattet. Zwei ältere Damen aus der Nähe von Halle, die auf Sightseeing-Tour am Brandenburger Tor unterwegs sind, finden die Waffen allerdings eher beunruhigend. „Das sieht ja schon etwas martialisch aus. Da wird einem so eine abstrakte Drohung gleich viel bewusster.“ Einen Block weiter in der Behrenstraße liegt der Hintereingang des Hotels Adlon Kempinski. Ein Lastwagen rangiert rückwärts in die Tiefgarage – und muss zunächst mal anhalten. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes umrundet das Fahrzeug, mit einem Spiegel untersucht er den Unterboden. Bei ankommenden Autos werden auch die Kofferräume kontrolliert. Aus der Pressestelle des Hotels hieß es auf Anfrage, dass die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt und die Mitarbeiter zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen worden seien. Die Geschäftsführung stehe außerdem in engem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden und den zuständigen Ministerien.

Auch beim Jüdischen Museum in der Lindenstraße in Kreuzberg haben sich die Sicherheitsbehörden gemeldet. „Generell haben wir schon einen sehr hohen Sicherheitsstandard“, sagte Sprecherin Melanie von Plocki am Donnerstag. „In Absprache mit der Polizei wurde die Bewachung jetzt zusätzlich verstärkt.“

Das Museum wird schon seit 2008 zusätzlich durch hüfthohe Betonklötze geschützt. Damals gab es Hinweise aus dem Libanon auf Anschlagspläne gegen jüdische Einrichtungen in Berlin. Besucher müssen bereits seit Jahren im Eingangsbereich durch eine Kontrollschleuse wie am Flughafen. Die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Mitte sowie das Jüdische Gemeindehaus in der Fasanenstraße in Charlottenburg werden seit 2003 durch massive Stahlpoller geschützt. Sie sind aus einer Speziallegierung angefertigt und besonders tief im Boden verankert. Dadurch sollen sie auch mit Sprengstoff beladene Lastwagen aufhalten können.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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