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Berlin: Nachtschwärmer unter sich

Bei der Probe, im Studio, auf Partys, im Gruselkabinett, beim Rundgang: Tagesspiegel-Leser waren von abends bis morgens auf Tour

Verliebte Blicke kann man lernen. Einfach ist das nicht, auch nicht für Profis. Zum vierten oder fünften Mal sieht Schauspieler Oliver Betke seine Kollegin Victoria Sturm schmachtend an – und sieht immer noch nicht verknallt aus. „Kann ich dir helfen?“, fragt sie lachend. „Nein danke“, sagt Betke mit einem Blick in Richtung Regisseur Jürgen Wölffer. Der steigt schließlich auf die Probebühne des Theaters am Kurfürstendamm, lässt Betke Kopfhaltung und Mimik korrigieren – und der sieht jetzt aus wie frisch verliebt. Es fehlte nur eine Nuance.

„Nächste Szene“, ruft der Regisseur und Oliver Betke geht erleichtert von der Bühne, wo sich jetzt Herbert Köfer und Friedrich Schoenfelder für ihre Dialoge bereitmachen. Applaus aus dem Publikum. 50 Tagesspiegel-Leser haben mit Oliver Betke gefiebert – und klatschen begeistert. Die Sommerserie „Der perfekte Tag“ hat ihnen einen Besuch bei der Samstagabend-Probe des Schwanks „Pension Schöller“ ermöglicht – eine kleine Sensation. „Proben sind etwas sehr Intimes“, sagt einer der Schauspieler. „Fremde sind hier eigentlich nie dabei.“ Die Zuschauer sind stolz, die meisten seit Jahren Fans des Theaters. „Dass in vielen kleinen Szenen so viel Arbeit steckt, hätte ich niemals gedacht“, sagt die 56-jährige Friederike Strauß.

Ein Programm für Nachtmenschen wurde in der vierten Serienfolge geboten. Und im Dunkeln ging es für viele am Sonnabend los: im Gruselkabinett am Anhalter Bahnhof. Ein umgebauter Bunker mit einem Innenleben für Horrorfans: verstaubte Totenköpfe, Nebelschwaden, die jede Orientierung unmöglich machen – und plötzlich eine kalte Hand auf der Schulter. Draußen ist gelegentliches Kreischen der Besucher zu hören. Hauptberufliche Erschrecker wie der 34-jährige Peter, sorgen drinnen für kleine Schauer. Tagesspiegel-Leser konnten Peter nach ihrer Grusel-Tour persönlich kennen lernen. Entspannung dagegen im Studio von Radio Energy in der Potsdamer Straße. Spätmoderator Söhnlein B. – in Shorts und mit Baseballkappe – baute die Besucher kurzerhand in seine Sendung ein: „Tagesspiegel-Leser haben unseren Sender übernommen“, brüllte er ins Mikrofon. Quatsch machen, vor allem aber Verkehrs- und Staumeldungen bearbeiten, seien die Aufgaben eines Moderators, erzählte Söhnlein B., der eigentlich Stefan Kuhlmann heißt. Eine CD hat er bei Energy noch nie eingelegt – die gesamte Musik kommt aus dem Computer.

Mit dem 5-Gänge-Menu im Dunkelrestaurant Nocti Vagus, einer Schiffstour mit der Havelqueen oder einem Roulette-Kurs im Casino Berlin stimmten sich viele Teilnehmer auf den späten Abend ein. Begehrt: Das Styling von Star-Visagist René Koch. Die Gratis-Termine waren in wenigen Minuten weg. Die philosophische Stadtführung wurde wegen der vielen Anmeldungen in zwei Gruppen aufgeteilt – die in der Kneipe noch bis nach Mitternacht weiterphilosophierten. Hartgesottene Nachtmenschen waren da schon auf dem Weg in den Sage-Club, das Adagio und das BKA-Luftschloss. Oder zur mitternächtlichen Tangostunde im Bali-Kino in Zehlendorf – für heiße Rhythmen ist es schließlich nie zu spät.

Juris Lempfert

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