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Berlin: Neonazi zu sechs Jahren Haft verurteilt

23-Jähriger gestand vor Gericht Rassismus und eine Serie brutaler Gewalttaten

Sie kannten keine Gnade. Rücksichtslos droschen Josef I. und seine rechten Gesinnungsgenossen auf Passanten ein. „Wie wilde Tiere“, sagte ein Zeuge. Sie traten einen Engländer mit Springerstiefeln zusammen, hetzten einen gebürtigen Russen durch die nächtlichen Straßen Marzahns, griffen einen Behinderten an und eine Rentnerin, beschimpften in Hellersdorf zwei Libanesinnen, grölten immer wieder Nazi-Parolen, attackierten einen jungen Mann, den sie als „Zecke“ einstuften. Für diese Serie brutaler Gewalt wurde der 23-jährige I. gestern wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.

Der einschlägig vorbestrafte I. habe aus Ausländerhass und Menschenverachtung ein Jahr lang bewusst Angst und Schrecken verbreitet, hieß es im Urteil des Berliner Landgerichts. Er habe Macht demonstrieren wollen, habe zeigen wollen: „Die Straße gehört mir.“ Die Ermittler seien „leider viel zu spät eingeschritten“. Trotz eines brutalen Übergriffs auf dem U-Bahnhof Eberswalder Straße im Mai 2001 wurde gegen I. kein Haftbefehl beantragt. Dieser Fall war nun der erste von über zehn Anklagepunkten. „Man hätte dem Treiben bereits damals ein Ende setzen können“, kritisierte der Richter.

Josef I. saß im Prozess meist mit verschränkten Armen auf der Anklagebank. Über seinen Verteidiger legte der Klempner mit kurz geschorenen Haaren und der Tätowierung „Skin“ auf einer Hand ein umfassendes Geständnis ab. Er habe nachgedacht, sagte er, der wegen eines anderen Übergriffs bereits seit über 14 Monaten in Haft sitzt. „Mal von meiner Einstellung abgesehen – dit liegt allet an meiner familiären Situation und am Alkohol.“ Sein Vater hatte ihn aus dem Haus geworfen, weil die Polizei CDs mit rechter Musik bei dem Sohn gefunden hatte. Das war in Bayern. Im Herbst 2000 war I. dem Ruf seiner Gesinnungsgenossen gefolgt und nach Brandenburg und schließlich Berlin gezogen. Hier stieg er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zu einem Anführer der rechten Szene auf. Er wolle jetzt an einem Anti-Gewalttraining teilnehmen und vom Alkohol wegkommen, beteuerte I. im Prozess. Doch bereits bei einer Verurteilung in Bayern hatte der Angeklagte, der gestern ein T-Shirt mit der Aufschrift „Pit Bull Germany“ trug, Besserung gelobt. Die Richter blieben skeptisch: „Da ist Misstrauen angebracht.“

Kerstin Gehrke

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