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Berlin: Neubau vor dem Abriss

Steiner-Schule hielt bei Gebäude Abstände zu Nachbarn nicht ein – und hofft jetzt auf gütliche Einigung

Auf dem Gelände der Dahlemer Rudolf-Steiner-Schule steht ein holzverkleideter Neubau. Lehrer und Schüler haben ihn und die Bauzäune ständig vor Augen, doch der Innenausbau stockt. Nichts tut sich. Zehn Räume hätten schon längst restlos fertiggestellt und eröffnet sein müssen. Auf Anfrage bestätigt Schulgeschäftsführer Friedrich Ohlendorf, dass daraus erst mal nichts wird. „Die Nachbarn wollen einen Abriss des Gebäudes erzwingen – was für die Schulgemeinschaft eine Katastrophe bedeutet.“

Nachbarn der Schule haben wegen nicht eingehaltener Abstandsflächen des Neubaus zu ihren Grundstücken einen Baustopp und Abrissanspruch erwirkt. Ein herber Schlag für die Schule. Sie kann jetzt nicht die Raumsituation für ihre 760 Schüler verbessern und dem wachsenden Bedarf an Hortplätzen Rechnung tragen. Damit droht auch eine Fehlinvestition von 1,7 Millionen Euro, zum großen Teil Spendengelder. Der neue Komplex aus zwei Gebäudeteilen steht auf dem hinteren Schulgrundstück zwischen Clayallee, Auf dem Grat und Föhrenweg.

Dort klagten drei Nachbarn dagegen, dass der Zehn-Meter-Abstand des Neubaus von ihrem Gelände zu gering ist. Planungsrechtlich ist er nicht zu beanstanden, er wurde auch vom Bezirksamt genehmigt. Aber die Nachbarn berufen sich auf einen privatrechtlichen Vergleich, den die Voreigentümer mit dem Schulverein 1963 geschlossen hatten. Darin ist vereinbart, dass aus Lärmschutzgründen für einen Neubau ein Abstandsmaß von 20, an einer Stelle sogar von 25 Metern eingehalten werden mus. Der Vergleich kam zustande, nachdem damals eine Klage auf Schließung der Schule vor dem Bundesgerichtshof gescheitert war.

Nach Auskunft von Schulgeschäftsführer Friedrich Ohlendorf ist das Kammergerichtsurteil in zweiter Instanz von Ende November noch nicht rechtskräftig, eine Revision aber nicht zugelassen. „Wir haben verloren, die Nachbarn können den Abriss durchsetzen.“ Die Schule sei an einer gütlichen Einigung interessiert, die das Gebäude erhalte und die Nachbarn befriedige. Er spricht von zwei schalltechnischen Gutachten, die zeigten, dass der Neubau die Geräusche des Schulbetriebs und des Verkehrs auf der Clayallee von den Nachbargrundstücken viel besser abschirme als vorher. Für die Nachbarn verringere sich sogar deutlich die Lärmbelästigung, um die es beim Vergleich 1963 gegangen war. Wegen des besseren Schallschutzes seien die Grundstücke – was die Gegenseite bestreitet – sogar wertvoller, es gebe ein Pflanzkonzept, das den Nachbarn den Blick von ihren Grundstücken ins Grüne erhalte.

Für die Anwälte vom Büro Trott zu Solz/Lammek, das die Nachbarn vertritt, ist „sehenden Auges ein Schulneubau in ein gesperrtes Gebiet gesetzt“ worden. Ihre Mandanten wollten nicht als „Buhmann“ dargestellt werden, sie hätten nichts gegen Kinder. Aber die Rechte Dritter seien mit Füßen getreten worden. Die Schule habe sich in den sechziger Jahren verpflichtet, in einem bestimmten Gebiet nicht zu bauen, darauf hätten die Nachbarn vertraut. Es habe kein Zwang bestanden, gerade dort zu bauen. Die Waldorfschule argumentiert, wegen der Platzverhältnisse hätte sie sonst höher bauen müssen, der Hof wäre enger geworden.

Vor zwei Jahren war mit dem Bau begonnen worden, bereits Anfang letzten Jahres stoppten die Arbeiten. „Die Holzschindelfassaden halten mindestens 70 Jahre“, hatten Bauleute der Schule versprochen. Die Chancen stehen nicht gut.

Christian van Lessen

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