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Berlin: Neubeginn an einem Ort des Schreckens anderthalb Jahre nach der Gasexplosion

Ein ganz normaler erster Spatenstich war das nicht gestern Nachmittag. Denn die Baulücke in der Steglitzer Lepsiusstraße 57 hat ihre eigene, schreckliche Geschiche.

Ein ganz normaler erster Spatenstich war das nicht gestern Nachmittag. Denn die Baulücke in der Steglitzer Lepsiusstraße 57 hat ihre eigene, schreckliche Geschiche. Vor anderthalb Jahren hatte eine Gasexplosion das viergschossige Haus in sich zusammenfallen lassen. Sieben Menschen starben in am 4. August 1998.

Auch wenn der symbolische Baubeginn am Unglücksort ein neuer Anfang sein sollte: Die Vergangenheit war mit dabei. Er wünsche den neuen Bewohnern des Hauses das Vergessen, sagte Wilfried Affeld. Als Vorstandsmitglied der Feuersozietät hat er mit Unglücksfällen Erfahrung. Und vielleicht deshalb setzte er leise hinzu: "Doch ganz wird das wohl nie gelingen."

Für Georg Frohn war gestern in erster Linie ein Neubeginn. Von den Mietern in seiner Wohnung im ersten Stock spricht er nur, wenn man ihn direkt danach fragt. Doch wenn es um die ältesten Opfer der Katastrophe geht, merkt man, dass die Explosion auch für ihn ein bisschen mehr mehr bedeutet als nur den Verlust einer vermieteten Immobilie. Und doch hat er sich zusammen mit zehn anderen Eigentümern entschlossen, dort, wo bisher nur eine Brandmauer an das Unglück erinnerte, wieder etwas aufzubauen. Jutta Goerke, deren Tochter in dem Haus gewohnt hatte, will nun selbst hier einziehen. Nein, ein Fluch liege nicht auf dem Grundstück, auf dem mehr als 3000 Helfer zwei Tage und drei Nächte lang von Hand 2000 Tonnen Trümmer beseitigt hatten und wo viele erschütterte Berliner Blumen niedergelegt hatten.

Über den Hergang des Unglücks wollte gestern niemand mehr reden. Ulrich Harmuth, der Geschäftsführer der Hausverwaltung Präzisa, die gemeinsam mit den Eigentümern neu baut, sprach davon, dass das neue Haus "in jeder Hinsicht deutlich vom ehemaligen Gebäude unterscheidet" und daß man nicht von einem Wiederaufbau, sondern einem Neubau sprechen müsse. Ein 13-jähriger Junge, der mit Gas in der Lunge tot im Keller aufgefunden worden war und dem man die Explosion zunächst zur Last gelegt hatte, wird nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt. Von Gasleitungen und manipulierten Prüfkappen ist nicht die Rede - auch wenn Feuerwehrmänner in Uniform unübersehbar daran erinnerten, dass es keine ganz normale Baustelle ist in der Lepsiusstraße.

Wenn hier ein neues Haus gebaut werde, dürfe man die Vorgeschichte nicht vergessen, sagte auch der Steglitzer Baustadtrat Norbert Kopp. Der Neubau, in dem statt bisher elf nun 17 Wohnungen untergebracht werden, solle eine "schmerzliche Lücke schließen". Doch das, was die Katastrophe vom 4. August 1998 den Nachbarn, Freunden und Verwandten weggerissen hatte, wird auch ein schicker sechsgeschossiger Neubau mit Tiefgarage und Fahrstuhl nicht ersetzen können. Ob die neuen Bauherren mit einer Tafel daran erinnern wollen, wie es zu diesem Neubau gekommen ist, wissen sie noch nicht. Darüber, so Georg Frohn, habe man sich in der Eigentümergemeinschaft "noch keine Gedanken gemacht."

rau

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