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Berlin: Neue Frauen braucht das Land

Expertinnen diskutierten beim Treffpunkt Tagesspiegel im Hotel Intercontinental über Job und Karriere

„Frauen sind wirtschaftlich erfolgreicher.

Wir müssen die Macht aber auch wollen.

Das Leben ist keine Kuschelgruppe.“

Juliane Freifrau von Friesen, ehemalige

Berliner Wirtschaftssenatorin

„Solange wir daheim keine Aufteilung der unbezahlten Arbeit haben, erreichen wir auch keine gerechte Verteilung bei der bezahlten Arbeit.“

Susanne Ahlers, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen

„Frauen sind mitschuldig: Sie müssen

eine Karriere ernsthaft anstreben

und notfalls im Streit erkämpfen.“

Ursula Weidenfeld, Leiterin des Tagesspiegel-Wirtschaftsressorts

„Die Führungsetagen reproduzieren sich

gerne selber. Männern fällt es natürlich leichter,

ihren meist männlichen Chefs zu ähneln.“

Anke Domscheit, Unternehmensberaterin bei „Accenture“ und Vorstand des Netzwerks EWMD

Jeder weiß es: Unternehmerinnen und Managerinnen sind immer noch eine Minderheit. Am Montagabend wurden Ursachen und Konsequenzen dieses Missverhältnisses beim Treffpunkt Tagesspiegel diskutiert. „Frauen in Führungspositionen – Entwicklungsland Deutschland?“ lautete das Thema. Weit über hundert Interessierte waren ins Hotel Intercontinental gekommen, vor allem Frauen, um von vier Frauen, die es weit gebracht haben, zu erfahren, warum es an weiblichen Managerinnen mangelt. George Turner, ehemaliger Wissenschaftssenator, moderierte die Runde, in der sich zunächst alle einig waren: Der Frauenmangel in den Chefetagen stellt ein Problem dar. Bei Ursachenforschung und Folgenanalyse gingen die Meinungen allerdings auseinander. Anke Domscheit, Unternehmensberaterin bei „Accenture“ und Vorstand von EWMD, einem Netzwerk für Managerinnen, erklärte das Defizit damit, dass sich die hauptsächlich männlichen Führungsetagen, gerne selbst reproduzierten. „Männern fällt es leichter, Männern zu ähneln“, sagte Domscheit und kritisierte die mangelnde Sensibilität für dieses Problem, auch auf Seiten der Frauen.

Die ehemalige Wirtschaftssenatorin, Juliane Freifrau von Friesen, zitierte eine französische Studie, die Frauen als wirtschaftlich erfolgreicher ausweise. „Grund dafür ist, dass Frauen einen aus dem Drahtseilakt zwischen Familie und Beruf erwachsenen Sinn für das Notwendige besitzen, was manche ,weibliche Intuition’, Männer dagegen ,unsachlich’ nennen.“ Vor allem aber seien Frauen stressresistenter. Susanne Ahlers, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, konnte dem nur zustimmen. In der Entwicklungspolitik sei erkannt worden, dass Frauen kreditwürdiger sind. „Aber Deutschland ist in dieser Frage selbst ein Entwicklungsland“, sagte Ahlers und vermutete eine Ursache dafür in der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die meisten Managerinnen hätten keine Kinder, im Gegensatz zu Männern in vergleichbaren Positionen. „Das ist aber auch ein Nachteil für Frauen ohne Kinder, da sie immer als potenzielle Mütter gelten“, kritisierte Ahlers. „Es ist eine falsche Annahme, dass derjenige im Job gut ist, der immer zur Verfügung steht“, sagte sie und warb für mehr Teilzeitarbeit. Eine, die so arbeitet, ist die Leiterin des Tagesspiegel-Wirtschaftsressorts. Ursula Weidenfeld wies aber einen Großteil der Schuld an diesem Gesellschaftsbild den Frauen selbst zu. Sie seien oft nicht konfliktbereit und verhielten sich wie Mütter, ohne überhaupt Kinder zu haben. „Frauen müssen eine Karriere ernsthaft anstreben und notfalls im Streit erkämpfen“, forderte Weidenfeld. Das negative Bild von erwerbstätigen Frauen stamme nicht von Männern, sondern von erwerbslosen Frauen. Von Friesen ergänzte, dass, während Männer sich mit ihrer Macht brüsteten, Frauen sich dafür entschuldigten. Sie endete mit einem Appell an die Zuhörerinnen: „Ihr müsst die Macht wollen, das Leben ist keine Kuschelgruppe.“

Juliane Schäuble

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