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Berlin: Neue Friedfertigkeit

Berlins CDU diskutiert auf ihrem Parteitag keine Personalfragen, sondern konzentriert sich auf Sachthemen

Das Dasein in der Opposition hat, wenn es schon zwei Jahre dauert, einen Vorteil: Bekannte Gegner, über die man herfallen kann. Wenn es Gegner sind, die Angriffsflächen bieten, dann eint jeder brausend vorgetragene Angriff auf Champagnertrinker im Roten Rathaus oder auf skandalumwitterte Kultursenatoren. Auf diese simple Erkenntnis stützen die Vormänner der Berliner CDU ihre Reden, Landeschef Joachim Zeller ebenso wie Fraktionschef Nicolas Zimmer. Die 300 Delegierten der Berliner CDU dankten es ihnen.

Nach beiden Reden klatschten die Delegierten länger als es die Höflichkeit gebietet. Und wenn denn Beifall einen Klang hat, dann klang er für Zeller und Zimmer diesmal weniger demonstrativ als beim vergangenen Parteitag. Er klang nach Anerkennung. „Gute Rede“, sagte nach Zimmers Auftritt sogar der sonst zur Unzufriedenheit mit den Berlinern neigende Bundestagsabgeordnete Günter Nooke.

Die neue Friedfertigkeit in der Berliner CDU hat mehrere Gründe. Erstens ging es bei dem Landesparteitag gestern nicht um Personen, sondern ums Programm. Die Partei bereitet vor, was mal ein Wahlprogramm werden soll. Das macht so einen Parteitag zu einer eher Disziplin als Kampfeslust erfordernden Veranstaltung. Der CDU ging es gestern um Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft – wichtige Sachen allemal, aber noch weit entfernt davon, Treibstoff einer Kampagne zu werden. Zweitens: Die Berliner CDU hat sich, gerade anderthalb Jahre ist es her, in einer Weise zerstritten, die Züge einer Selbstverstümmelung hatte. Am Ende war der Landesvorsitzende Zeller mit knapper Mehrheit installiert, und ebenso knapp war die Mehrheit des neuen Fraktionschefs Zimmer. Deshalb ist der Grund für die neue Ruhe sehr schlicht: „Es gibt in der Partei ein tiefes Bedürfnis nach Harmonie“, sagt ein Zehlendorfer Delegierter.

Was immer man höre, wenn man auf der Straße für die CDU Werbung mache, beginne mit der Aufforderung: „Hört auf zu zanken.“ Also schimpften Zeller und Zimmer auf den im Unterhaltungsfernsehen erfolgreichen und auch sonst angesehen Regierenden Bürgermeister, sie schimpften auf Kultursenator Flierl und dessen Personalpolitik in Sachen Opernstiftung, sie schimpften auf einen Senat, der ein Rosa-Luxemburg-Denkmal errichten lassen will, zum Checkpoint Charlie aber nichts zu sagen hat. Sie schimpften sich in Rage – die Reinickendorfer Bürgermeisterin Marlies Wanjura, eine scharfkantige Größe in der Berliner CDU, sprach mit schriller Stimme von ihrem „Hass“ auf Klaus Wowereit.

Nun will die CDU also wieder Wirtschaftspartei werden und hat sich deshalb daran erinnert, dass man die Bürokratie stärker abbauen kann, als der Senat es tut. Sie will in der Schulpolitik strenger und wertkonservativer wirken als bisher, will fast vergessenen Tugenden wie Verantwortungsgefühl und Pünktlichkeit zu neuer Bedeutung verhelfen. Die Partei kam ins Debattieren über die Themen, mit denen sie die Berliner 2006 von sich überzeugen will. Gefunden hat sie sie noch nicht. Von Meinungsführerschaft in Berliner Angelegenheiten, vom Gefühl, Berlin- und Hauptstadtpartei zu sein, ist sie weit entfernt.

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