zum Hauptinhalt

Berlin: Neuer Prozess um rätselhaften Tod des Liebhabers

„Lebenslänglich wegen Mordes“ lautete das Urteil Das Verfahren gegen Holger H. wird neu aufgerollt

Von Sandra Dassler

Cottbus/Rheinsberg - Für Holger H. ging am gestrigen Donnerstag im Cottbuser Landgericht ein Traum in Erfüllung: Er durfte endlich wieder auf der Anklagebank sitzen. Was für viele eine Horrorvorstellung ist, davon verspricht sich der 43-jährige Rheinsberger, der seit vier Jahren im Gefängnis sitzt, nicht nur die Freiheit, sondern auch ein Leben mit seinen drei kleinen Kindern.

Im gestreiften Polohemd nahm Holger H. ruhig die Anklageverlesung in seinem Wiederaufnahmeverfahren zur Kenntnis. Solche Verfahren sind in Mordfällen selten und dass man ihn Mörder nennt, musste Holger H. hinnehmen, seit ihn das Landgericht Neuruppin im April 2006 zu lebenslanger Haft verurteilte. Für die Richter stand fest, dass er am 11. Oktober 2005 in die Wohnung von André H. schlich. Der schlief noch, als ihm der Eindringling – jedenfalls nach Überzeugung der Richter – ein Küchenmesser in die Brust stieß. Ein kraftvoller Stich mit zweimaligem Nachhaken verletzte Leber und Bauchschlagader so schwer, dass Andrè H. das Bewusstsein verlor und verblutete.

Die Richter verurteilten Holger H., weil mehrere Indizien gegen ihn sprachen: Erstens hatte er ein starkes Tatmotiv, war doch das Opfer der Geliebte seiner Ehefrau, die ihn mit den drei Kindern verlassen wollte. Zweitens konnte sich H. über seine Frau den Schlüssel zur Wohnung des Opfers verschaffen, die nicht aufgebrochen worden war. Drittens hatte Holger H. kein Alibi. Zwar gab der Schweißer an, für seine Firma gearbeitet zu haben, allerdings allein. Und dass er am Tag der Tat gegen acht Uhr auf dem Arbeitsamt gewesen war, was eine Mitarbeiterin bestätigte, bewertete das Neuruppiner Gericht als belastend. „Die sind davon ausgegangen, dass mein Mandant sich nur ein Alibi verschaffen wollte“, sagt Veikko Bartel, der Verteidiger von Holger H.: „Aber die Mitarbeiterin des Arbeitsamtes hatte am Freitag zuvor seiner Firma mitgeteilt, dass er dringend auf dem Amt erscheinen müsse.“

Nun sind neue Beweismittel aufgetaucht, die bei der ersten Verhandlung nicht berücksichtigt wurden. Denn die Leiche des Opfers war in ein Bettlaken gehüllt und an Kopf und Füßen mit Müllsäcken umwickelt. Auf einem dieser Säcke fanden die Ermittler die DNA-Spuren von Steven L, der ebenfalls ein ständiger Liebhaber der Ehefrau von Holger H. gewesen sein soll. „Der Mann wurde nur als Zeuge befragt“, sagt Verteidiger Bartel: „Dabei kannte er das Opfer und die Wohnung und hätte als Nebenbuhler auch ein Motiv gehabt. Er hat ebenfalls kein Alibi und er hat – im Gegensatz zu meinem Mandanten – auch noch DNA-Spuren in der Wohnung hinterlassen.“

Diese Argumentation hatte aber weder das Landgericht Cottbus noch das Oberlandesgericht überzeugt. Beide lehnten die Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Erst über das Landesverfassungsgericht wurde der neue Prozess erzwungen

Die Cottbuser Richter haben zur gründlichen Prüfung des Falles neun Verhandlungstage eingeplant. Zum gestrigen ersten Prozesstag schwieg der Angeklagte. Die mittlerweile von ihm geschiedene Birgit H. verweigerte die Aussage. Ein weiterer Zeuge berichtete, dass sie mit mehreren Männern Verhältnisse hatte. Ihre drei Kinder leben inzwischen in einer Pflegefamilie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false