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Neukölln: Keine "Pille danach" am Maybachufer

Ein Neuköllner Apotheker verkauft die „Pille danach“ aus Gewissensgründen nicht. Er kämpft für eine steigende Geburtenrate und natürliche Familienplanung – und wird dafür attackiert.

Die „Pille danach“ – ja oder nein? Der katholische Apothekenbesitzer Andreas K. hat die Frage für sich beantwortet. In seinem Geschäft in Neukölln ist die hoch dosierte Notfall-Lösung nicht erhältlich. Er sagt, er könne den Verkauf nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. „Das ist eine persönliche Grenze, die ich als religiöser Mensch ziehe. Ich finde, ungeborenes Leben muss geschützt werden.“

K.s Meinung teilen nicht alle. Im zweiten Jahr in Folge hat eine unbekannte Gruppe am Weltfrauentag die Scheiben der Apotheke am Maybachufer eingeschlagen. Unterschrieben mit „ein paar Menschen“, bekannte sie sich auf der Internetseite „Indymedia“ zu dem Anschlag. Ihr Vorwurf: Der Apotheker wende sich „gegen die Selbstbestimmung von Frauen“. In 17 europäischen Ländern ist die Notfallpille ohne Rezept erhältlich. Nicht in Deutschland. Darf ein Apothekenbesitzer den Verkauf der verschreibungspflichtigen Pille überhaupt verweigern?

„Es hat sich zwar meines Wissens nach noch kein Gericht mit dieser Frage befasst, doch laut einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit von 1986 ist dies rechtlich erlaubt, da sich der Apotheker auf seine im Grundgesetz verankerte Gewissensfreiheit berufen kann“, sagt Jan Ott, Sprecher des Apothekerverbandes Berlin. In der Stellungnahme schließt das Bundesministerium zwar eine generelle Freistellung einer Abgabepflicht für Apotheker aus, weil damit eine ordnungsgemäße Versorgung nicht mehr gewährleistet werden könnte. Jedoch überlagere die die freie Gewissensentscheidung die Pflicht der Arzneimittelversorgung. Dies gelte jedoch nicht in Fällen, in denen das Medikament eine mögliche Lebens- oder Gesundheitsgefahr der Frau abwende, was der Apotheker wiederum mit dem Arzt abklären müsse.

„Wie das Verfassungsgericht im vorliegenden Fall entscheiden würde, ist nicht klar“, sagt Medizinrechtler Andreas Straubinger. Das werde von Fall zu Fall entschieden. Schwierigkeiten sehe er auch weniger in der Stadt, wo Kunden die Apotheke wechseln könnten, als auf dem Land, wo es oftmals nur eine Apotheke gebe. „Da könnte es eng werden, wenn mir der Apotheker sagt, dass er das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.“

Die Thematik könnte mit dem sogenannten Karlsruher „Schächturteil“ von 2006 verglichen werden. Dabei kollidierte das Berufs- und Glaubensrecht mit bestehenden Tierschutzgesetzen. Demnach ist das Schächten in Deutschland zwar grundsätzlich nicht erlaubt. Aus religiösen Gründen können jedoch Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, was etwa Juden und Muslime betrifft.

Auch K. beruft sich auf seine religiöse Freiheit. In den 21 Jahren, in denen er seine Apotheke führe, habe er beim nächtlichen Notdienst nur zweimal einer Frau eine Absage erteilt. „Ich gebe den Kundinnen auch immer die Erklärung des Bundesministeriums mit, wenn sie danach fragen“, sagte K. Ob ihm bewusst sei, dass er einige Frauen mit seiner Meinung verärgere. „Ich will sie damit nicht vor den Kopf stoßen. Wir sind ein bunter Kiez und dazu gehört auch meine Meinung. Außerdem bin ich für ein Gespräch immer offen“, sagt K. Er befürwortet eine natürliche Familienplanung. So erhalten Kunden, die bei ihm Kondome oder die Pille kaufen, seinen ganz persönlichen Beipackzettel. „Setzen Sie sich ein für eine grundsätzliche Bereitschaft, Kinder zu bekommen und für eine sorgsame Abwägung bei der Entscheidung für ein Verhütungsmittel“, heißt es beispielsweise auf dem Flyer. „Die Worte sind quasi ein Appell für mehr Kinder in unserer Gesellschaft“, sagt K.

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