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Die Prozesse in der Berliner Verwaltung sind zu wenig strukturiert und digital unterstützt.

© Stephanie Pilick/dpa

Neuorganisation der Verwaltung: Die Berliner Stadtentwicklung muss effektiver werden

Andere Metropolen machen es vor: Die Arbeitsfähigkeit von Verwaltungen ist maßgeblich für den Erfolg einer Stadt. Ein Gastbeitrag.

Friedemann Kunst ist Stadt- und Verkehrsplaner und Vorsitzender der Akademie für Städtebau und Landesplanung in Berlin und Brandenburg.

Eine Reform der Berliner Verwaltung ist überfällig. Jüngst wurde sie mit wichtigen Korrekturen der Organisationsvorgaben für die Bezirksämter endlich auf den Weg gebracht. Auch auf der Senatsebene besteht Handlungsbedarf: Es fehlt an einer leistungsfähigen Planung und Steuerung der Stadtentwicklung, die in diesen Zeiten dynamischer Veränderung erforderlich ist.

Die Aufgaben sind groß: Berlin braucht ein ausreichendes Angebot neuer, bezahlbarer Wohnungen am richtigen Ort, mit allen notwendigen Folgeeinrichtungen. Die Umsetzung der „Verkehrswende“ erfordert veränderte und erweiterte Verkehrsinfrastruktur. Ein wichtiges neues Thema sind die großen Strukturänderungen im Einzelhandel und bei den Bürodienstleistungen, angetrieben durch Digitalisierung und Pandemie. Wie können diese Entwicklungen für Erhaltung und Stärkung lebendiger Zentren in Berlin genutzt werden? Nicht nur dort brauchen die wichtigen öffentlichen Räume der Stadt eine bessere Gestaltung für eine vielfältige Nutzung.

Berlin muss mit der gesamten Region ein Leitbild entwickeln

Und dringlich ist, Berlin stärker im Austausch mit der gesamten Region zu denken (und zu planen) und dafür ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln. Bei allem muss es darum gehen, Stadt und Region so umzubauen, dass wir besser mit der Klimaerwärmung zurechtkommen und den Klimawandel begrenzen. Es ist offensichtlich, dass das große und komplizierte Aufgaben sind, die zur rechten Zeit den Austausch mit der Öffentlichkeit brauchen; auch, dass die Rahmenbedingungen des schnellen Strukturwandels und der Klimakrise nicht mehr sehr viel Zeit lassen, um Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Eine planende Verwaltung, die sich diesen zum Teil neuartigen Herausforderungen zu stellen vermag, muss Agilität, konzeptionelle Stärke, integratives Arbeiten, Fähigkeit zur Priorisierung und Konsequenz bei der Umsetzung beschlossener Planungen mitbringen.

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Der Vergleich dieses Zielbildes mit der Berliner Alltagsrealität zeigt Diskrepanzen: Der Wohnungsbau bleibt hinter den gesteckten Zielen zurück, die Vorbereitung neuer Stadterweiterungen bleiben in Beteiligungsverfahren stecken. Die Ergänzung der Verkehrsinfrastruktur für neue Stadtquartiere braucht zu viel Zeit. Dazu trägt auch die übergroße Differenziertheit rechtlicher Vorschriften bei, die bei Planungen zu beachten sind und zu den langen Verfahrensdauern führen. Dies kann Berlin allein nur begrenzt ändern, wohl aber den Umgang damit optimieren. Und damit ist der zweite maßgebliche Faktor für die nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der planenden Verwaltung in Berlin genannt: ihre Organisation.

Allein Zuständigkeiten für die räumliche Stadtentwicklung sind auf drei Ressorts verteilt

Es fängt damit an, dass Zuständigkeiten für die räumliche Stadtentwicklung heute auf drei Ressorts (Stadtentwicklung/Wohnen; Umwelt/Verkehr/Klimaschutz und Kultur/Denkmalschutz) verteilt sind. Unterschiedliche Arbeitsprioritäten der Hausleitungen ziehen ständige, wenig effiziente Abstimmungsprozeduren nach sich. Die Mängel in der Abstimmung zwischen Infrastruktur- und Wohnungsbauplanung führen zu Verzögerungen wichtiger Bauvorhaben.

Friedemann Kunst, Stadt- und Verkehrsplaner und Vorsitzender der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung in Berlin und Brandenburg.
Friedemann Kunst, Stadt- und Verkehrsplaner und Vorsitzender der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung in Berlin und Brandenburg.

© privat

Leider hat die Berliner Politik nicht aus der Erfahrung der Nachwendejahre gelernt, dass derart aufgeteilte Planungszuständigkeiten zu großen Reibungsverlusten und Ineffizienzen führen. Die Konsequenz wurde mit der Senatsbildung im Jahr 2000 gezogen, indem ein Ressort für „Stadtentwicklung“ gebildet wurde, in dem die Aufgaben für Entwicklungsplanung, Wohnungsbau, Verkehr und Umwelt gebündelt wurden. Seit 2016 ist diese sinnvolle Bündelung wieder aufgeschnürt.

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Aber auch in der Binnenorganisation der einzelnen Ressorts sind die traditionellen Strukturen häufig nicht auf die Anforderungen intensiver Kooperation ausgerichtet. Die Spezialisierung in der großen Verwaltung und die Ausbildung einer entsprechend differenzierten Struktur behindert lösungsorientierte Zusammenarbeit. Arbeit wird nacheinander statt miteinander erledigt, Abstimmungen mit vielen Beteiligten ziehen sich in die Länge, weil die Prozesse zu wenig strukturiert und digital unterstützt sind. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Andere erfolgreiche Metropolen haben ihre Verwaltungen reorganisiert

Ein Blick in andere Metropolen ist hilfreich. Es ist nicht überraschend, dass erfolgreiche Städte wie Amsterdam, Barcelona, Helsinki oder auch Wien in den vergangenen Jahren mehr oder weniger durchgreifende Veränderungen ihrer Arbeitsweise durch Reorganisation ihrer Verwaltungen vorgenommen haben: durch Zusammenlegung von Organisationseinheiten, durch veränderte Prozessorganisation mittels Digitalisierung, flachere Hierarchien und projektbezogenes Arbeiten. Mit Blick auf einen neuen Senat nach der Wahl wären die maßgeblichen Akteure in Politik und Verwaltung gut beraten, die Arbeitsfähigkeit der planenden Verwaltung Berlins zum wichtigen Thema zu machen.

Die Ressortzergliederung muss rückgängig gemacht werden

Einer Reorganisation muss selbstverständlich eine gründliche Defizitanalyse zugrunde gelegt werden. Besonders wichtig scheint mir, die Ressortzergliederung rückgängig zu machen, um die Planung der Stadtentwicklung in einer Hand zu verantworten und besser steuern zu können. Sollte eine Koalition mit mehreren Partnern diese beste Lösung verhindern, muss wenigstens eine Stelle geschaffen werden, die die Gesamtverantwortung für die Planung und somit Entscheidungsrechte über verschiedene Ressortgrenzen hinweg erhält.

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Hamburg kennt mit vergleichbarer Aufgabe den „Oberbaudirektor“, und auch Wien leistet sich einen „Planungsdirektor“ mit weitgehenden Kompetenzen. Sodann muss die Binnenorganisation der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung/ Wohnen und Umwelt/Verkehr/Klimaschutz auf den Prüfstand. Es gilt, die Organisation auf heutige Aufgaben und Arbeitsprozesse auch mit neuen Akteuren außerhalb der Verwaltung auszurichten.

Die Digitalisierung der Verwaltung könnte als Treiber der Optimierung dienen

Die Digitalisierung der Verwaltung kann als „Treiber“ einer Optimierung von Verfahrensabläufen dienen, wie dies in der Bauleitplanung ansatzweise bereits begonnen wurde. Schließlich muss projektbezogenen, temporären Arbeitsformen ein viel größerer Stellenwert eingeräumt werden: Das für die Aufgaben erforderliche breite Sachwissen kann dabei früh zusammengeführt und ergebnisorientiert integriert werden. Mitspracheansprüche können rechtzeitig geklärt werden. Dies führt zu besseren Arbeitsergebnissen und vermeidet umfangreiche nachträgliche Abstimmungen und Korrekturen.

Einer gestärkten Planungsverwaltung kann es wieder gelingen, mit guten Ergebnissen bei geringerem Zeitaufwand die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen und als kompetenter Berater der Politik und der Stadtgesellschaft aufzutreten.

Friedemann Kunst

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