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Berlin: Nofretete hatte einen Gönner in Berlin

Vor 100 Jahren gab es in Berlin viele Stifter, jetzt wird diese Tradition neu begründet

Von Dagmar Rosenfeld

Sie sieht wunderschön aus, wie sie auf dem Sockel thront, mit majestätischem Blick und einem unergründlichen Lächeln. So steht sie nun schon seit Jahrzehnten im Ägyptischen Museum in Berlin, bewundert von hunderttausenden Besuchern – die Büste der Nofretete. Es war James Simon, ein Berliner Unternehmer und Kunstmäzen, der Nofretete vor 90 Jahren hierher holte und sie dann dem preußischen Staat stiftete. Anfang des 20. Jahrhunderts, da wurde in Berlin eben im ganz großen Stil gestiftet, vor allem für die Kunst und vor allem von reichen jüdischen Bürgern. „Alle Freiheit und feinere Kultur, wenigstens hier in Berlin, wird vorwiegend durch die reiche Judenschaft vermittelt“, hat Theodor Fontane damals geschrieben.

Heute, fast hundert Jahre später, ist das Stiften wieder in Mode: rund 12000 Stiftungen gibt es mittlerweile in Deutschland, fast die Hälfte wurde in den vergangenen 13 Jahren gegründet. Auch in Berlin hat sich die Zahl der Stiftungen in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Und weil die Wohltätigkeit weiter gefordert und gefördert werden soll, findet am kommenden Sonnabend im Roten Rathaus der erste Berliner Stiftungstag statt. Stiftungen werden dort ihre Arbeit vorstellen und über ihre Projekte berichten.

Mit Städten wie Hamburg, München, Frankfurt oder Stuttgart kann Berlin allerdings nicht mithalten. In der Hauptstadt kommen auf 100000 Einwohner 14 Stiftungen, in München sind es 34 und in Hamburg sogar 49. Sind die Berliner also doch nicht so gut im Gutes tun? Tatsächlich ist nur jeder vierte Berliner bereit, sich gemeinnützig zu engagieren und zu spenden. In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hingegen ist jeder zweite Bürger ein Wohltäter. Doch das allein erklärt noch nicht, warum die Berliner Stiftungskultur im bundesweiten Vergleich schlecht abschneidet.

„Die Geschichte hat den Berliner Stiftungen einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Rupert Graf Strachwitz. Er leitet das Maecenata Institut, das Stiftungen in ihrer Arbeit unterstützt und berät. Berlin sei eine Ausnahmestadt. Nachdem die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1927 und anschließend die Nationalsozialisten das jüdische Mäzenatentum ausrotteten, habe das Stiftungswesen Jahrzehnte lang brach gelegen. Die Stiftungen im Ostteil der Stadt wurden von der DDR-Regierung dicht gemacht oder zwangsverwaltet: Weil das Stiften ein Stück bürgerliche Eigenständigkeit bedeutet, nämlich sich um kulturelle und soziale Dinge selbst zu kümmern und in einem sozialistischen Staat nicht erwünscht ist. Am Ende ist dann doch noch eine Stiftung zu DDR-Zeiten gegründet worden, die Stiftung für die Synagoge in der Oranienburger Straße. Damit wollte sich Erich Honecker bei der amerikanischen Regierung beliebt machen, in der Hoffnung, so die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA ausbauen zu können.

Auch in West-Berlin lief es mit den Stiftungen nicht sonderlich gut. Die Mauerstadt am Rande der Republik war für potenzielle Stifter von außerhalb wenig anziehend und für potenzielle Stifter aus den eigenen Reihen wenig anregend. Denn in einer Stadt, in der fast alles staatlich bezuschusst wird, werden die Menschen bequem. Die da oben werden’s schon richten, haben sich viele Westberliner gedacht. Staatliche Fürsorge und bürgerliche Eigeninitiative, das geht eben nicht zusammen. „Weil man sich immer auf den Staat verlassen hat, sind Universitäten und Museen bis heute nicht besonders gut darin, Drittmittel einzuwerben“, sagt Strachwitz. Im Umgang mit Stiftern und Förderern sei einiges nachzuholen – das gelte auch für den Senat.

„Das Klima in Berlin ist nicht gerade stiftungsfreundlich“, sagt Peter Walkenhorst von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Die Genehmigungsverfahren würden allzu oft nach den Grundsätzen der Berliner Verwaltung laufen – so bürokratisch und so umständlich wie möglich, sagt auch Maecenata-Chef Strachwitz. Stiftungen etwa, die ohne Steuerprüfer arbeiten, müssen nach dem kameralistischen System abrechnen. Das ist ein Abrechnungsverfahren, das sonst nur in der Verwaltung benutzt wird. Sich da einzuarbeiten, kostet viel Zeit – unnötige Zeit. Diese seltsame Regelung hätte längst schon abgeschafft werden können, heißt es beim Bundesverband Deutscher Stiftungen.

Mit solchen überflüssigen Vorschriften werden nicht nur potenzielle Stifter abgeschreckt, sondern auch ansässige Stiftungen vertrieben, sagt Strachwitz. So hätten ihm Mitarbeiter der Stiftungsaufsicht in Bayern erzählt, dass ihnen mehrere Anträge von Stiftungen vorlägen, die aus Berlin weg wollten.

Ganz so dramatisch schätzt der Bundesverband Deutscher Stiftungen die Lage nicht ein. „Das Berliner Stiftungswesen hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt“, sagt Verbandssprecher Ulrich Brömmling. Berlin profitiere davon, Hauptstadt zu sein. Besonders politische Stiftungen, wie etwa die Stiftung „Topographie des Terrors“ oder „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ hätten sehr bewusst Berlin als Standort gewählt. Dennoch, es fehlt hier nach wie vor an mittelständischen und großen Unternehmen, für die es zum guten Ton gehört zu geben. Gegen traditionelle Kaufmannsstädte wie Hamburg und Frankfurt kommt Berlin nicht an. „Noch nicht“, sagt Brömmling.

Am 13. September ist im Roten Rathaus Berliner Stiftungstag. Ab 9.30 Uhr können Sie sich dort über Stiftungsarbeit und einzelne Projekte informieren.

Dagmar Rosenfeld

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