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Berlin: O die Fröhliche

Floristin Angela Johne schafft ungewöhnlichen Adventsschmuck. Immer nur Tannenkränze? Muss nicht sein

Von Susanne Leimstoll

In der Neuköllner Werkstatt hat es 13 Grad. Das ist gut für die Blumen, schlecht für den Menschen. Die einsachtzig große sportliche Blonde dort am Arbeitstisch hält das aus. Sie gießt sich, den wollenen Schal fest um die Hüften, vielleicht mal schnell einen Caro auf oder macht kurz den elektrischen Heizstrahler an und hantiert weiter an Dekorationen, die, sind sie erst fertig, überall in dem vollgestopften Zimmer lagern: auf Ablagen, Regalen, auf dem Boden. Gebündelte Kirsch- und Apfelbaumzweige, obenauf eine Amarylliszwiebel, die, wenn sie austreibt, den Stängel mit der kleinen, gelben, spitzen Blüte im Bogen wölbt. Aus einer meterhohen weißen Glasvase lässt die Frau ein Tropfengebilde aus Birke, Korkenzieherweide und getrockneten Weinranken fließen, umschlungen von vergoldeten Typha-Streifen, und unten im Gespinst ruht eine Orchidee mit cremegelber Blüte. Der passende, aus den gleichen Zweigen gewundene Adventskranz, in dem gebleichte Schoten stecken, wartet auf seinen Auftritt, flankiert von vier dicken Kerzen.

Angela Johne, 30, selbstständige Floristin, schafft ungewöhnliche adventliche Gebilde. Sie liebt den Strukturmix – filigrane Silbertaler kombiniert mit dicker Wolle, fette Rosenköpfe neben Stückchen aus Birkenrinde und stacheligen Koniferen. Und warme, leuchtende, lebendige Farben, am besten dunkelrot, rosé, pink, auch creme und Weiß. Bis zum 23. Dezember lässt sich Angela Johne an Wochenenden vor einem Pflanzengeschäft in der Kantstraße beim Arbeiten zusehen: Sie fertigt Advents- und Weihnachtsdekorationen nach Wunsch oder macht Topfpflanzen zum richtigen Geschenk: ein besonderes Gefäß, eine glänzende Kugel, ein schimmerndes Band, „Pflanzen aufwerten“ nennt sie das.

Ihre Werke leben von der ausgefallenen Kombination. Sie macht sich vorher Skizzen, probiert aus: Passt Geschmack A zu Geschmack B? „Das ist wie beim Kochen“, sagt sie. Nur: Liebe geht bei ihr eben durch Auge und Nase.

Die Adventszeit gefällt ihr. „In Berlin siehst du die Menschen im Frühling lächeln und in der Weihnachtszeit.“ Daran freut sie sich. Und obwohl sie, gebürtige Chemnitzerin, nicht religiös erzogen ist, geht sie vor Weihnachten gern mal in die Kirche. „Weil die Stimmung, die Freude, die Wärme und das Licht dann so schön sind.“ Aber ein Weihnachtsbaum kommt ihr nicht in die Wohnung. Und Geschenke zum Fest: tabu. Übers Jahr zu schenken, findet sie unverkrampfter. Weihnachten feiert sie mit dem Freund lieber auf 2000 Metern im Schnee in Österreich oder gleich in Thailand am Strand während des Taucherurlaubs. Klasse, wenn der deutsche Koch dann bei 30 Grad Rotkraut und Klöße serviert.

Aber jetzt ist Herbst: windig, nass, unwirtlich. „Na und?“, sagt Angela Johne. „Ich bin ein positiver Mensch, ich finde an allem was Schönes.“ Umtriebig ist sie außerdem. Immer wieder hat sie an Berufswettbewerben teilgenommen. Dass sie in ihrer Heimat „Vize-Sachsen-Meister“ war, erzählt sie stolz. Aber dann musste noch was kommen: lernen, ausprobieren, sich weiterentwickeln. Deshalb 2000 der Umzug nach Berlin. Und das Wagnis Selbstständigkeit. Sie wollte nie im Laden stehen, hat gut zu tun mit Daueraufträgen für Büros und Restaurants, Dekorationen für große Events. Das schafft man mit Fleiß. Und manchmal ist es Knochenarbeit. Kann Angela Johne nicht schrecken. Sie sieht einen lächelnd an und sagt, passend zum Fest der Liebe: „Ich bin beständig glücklich.“

Angela Johne, Weserstr. 190, Neukölln, Tel. 62737823 (angela.johne@gmx.de). Aktion im Stilwerk bis 23. Dezember, freitags 14 bis 20, samstags 10 bis 20 Uhr.

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