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Berlin: O Sole mio

Von Matthias Oloew Aus den acht Stunden im Büro sind wieder einmal zehn geworden, zu den fünf Terminen haben sich noch drei weitere sowie ein Nervenzusammenbruch einer Kollegin gesellt, und mit der Gehaltserhöhung wird es in absehbarer Zeit auch nichts–das könnte ein Tag sein, den man in der Liquidrom-Therme beenden möchte. Nicht, um ins Wasser zu gehen um nicht mehr herauszukommen, sondern um binnen Minuten abzuschalten.

Von Matthias Oloew

Aus den acht Stunden im Büro sind wieder einmal zehn geworden, zu den fünf Terminen haben sich noch drei weitere sowie ein Nervenzusammenbruch einer Kollegin gesellt, und mit der Gehaltserhöhung wird es in absehbarer Zeit auch nichts–das könnte ein Tag sein, den man in der Liquidrom-Therme beenden möchte. Nicht, um ins Wasser zu gehen um nicht mehr herauszukommen, sondern um binnen Minuten abzuschalten. Also hinein in den neuen Entspannungstempel am Temprodrom und 15 Euro gezahlt. Das ist der Minimum-Eintrittspreis und berechtigt zum Baden und saunieren für zwei Stunden. Jede weitere Stunde kostet vier Euro extra.

Das Interieur als nüchtern zu bezeichnen wäre diplomatisch. Sichtbeton bestimmt das Ambiente, Türen und Schränke sind aus Holzfurnier in Kirschbaumfarbe. Palmen, Strandkörbe und andere Thermen-Accessoires fehlen ganz, ebenso wie Massageduschen, eine Rutsche oder Whirlpools. Konzentration auf das Wesentliche. Entspannung im Wasser bei Musik–das ist das Thema im Liquidrom.

Die Umkleiden sind zwar nach Geschlechtern getrennt, drinnen können die Damen aber den sich umziehenden Herren zuwinken und umgekehrt. Das ist neu. Neu für eine Therme ist auch der auffallend große Barbereich. 19 Sitzhocker stehen vor der ellenlangen Theke, die vis-à-vis der großen Fensterfront zum Innenhof steht. Das Liquidrom soll eine Symbiose aus Lounge und Therme sein. Leise Musik gibt es immer, freitags Klassik, sonnabends legen DJs auf. Große Fotos zum Thema Wasser der New Yorker Künstlerin Linda Troeller beleben die grauen Wände. Kernstück ist jedoch das kreisrunde Becken.

Dämmerlicht umfängt den gestressten Gast, angenehm warm ist es, die Kuppel–ebenfalls aus zeittypischem Sichtbeton–wird hier und da von bunten Spots erhellt, ein Videobeam wirft Mobiles wie in einem Kaleidoskop an die Wand. Die esotherische Musik klingt nach Enya, die heute offenbar einen schmusigen Tag hat. Das Wasser ist über 30 Grad warm, leicht gechlort und mit Sole versetzt. Bis zu 50 Gäste sollen in den Pool passen. Das wäre dann aber nicht mehr so stressfrei.

Alle liegen mit den Ohren unter Wasser, hier klingt die Musik viel besser als oberhalb. Sie machen „toter Mann“, so lange sie das Wasser trägt. Die Augen zu, die Ohren auf. Plötzlich nähert sich eine Frau und flüstert geheimnisvoll. Ich erwarte, angesprochen zu werden wie Ernie in der Sesamstraße durch Schlemihl. Statt „Hey, du...“, fragt Christiane Block-Rohrbeck: „Möchten Sie getragen werden?“

Die Aqua-Wellness-Bodyworkerin wird schon wissen, was sie tut, denke ich, und sie erklärt, was ich zu tun habe: gar nichts. Sie nimmt mich auf den Arm, dreht sich und mich und flüstert wieder: „Am schönsten ist es, wenn Sie ganz entspannt sind.“ Gut gesagt, liebe Frau, denke ich, aber ich kenne sie doch gar nicht. Die Entspannung klappt trotzdem immer besser, schließlich steckt sie mir eine Klemme auf die Nase, das ist notwendig, um meinen Kopf zeitweilig auch ganz unter Wasser zu halten. Auf diese Weise bewegt zu werden, ist wie Karussellfahren ohne Schwindelgefühl. Umfangen von der Wärme und der Musik ist das Büro sofort vergessen.

Die Handreichung von Christina Block-Rohrbeck und ihren Kollegen ist im Eintrittspreis nicht enthalten. Ausnahme war das Anbaden. Nach dem Bewegungsbad der anderen Art kann sich der Gast auch in das viel kleinere so genannte Om-Becken zurückziehen. Dunkle Kacheln, körperwarmes Wasser, und wieder Musik. Auf der Terrasse mit viel Holz in hellen Farben gibt es noch ein kleines Becken, 42 Grad warm. Zwischen Terrasse und Umkleide gibt es den Saunabereich, mit Dampf- und Trockensauna.

Alle Bereiche gruppieren sich um die zentrale Bar. Dort sitzt Tempodrom-Chefin Irene Moessinger mit Klaus Böhm. Sie hat zusammen mit dem Schöneberger Medienkünstler Micky Remann das Liquidrom-Konzept entworfen, Remann hat sich zum Fachmann für „Liquid Sounds“ erklärt. Von Klaus Böhm kommt das technische Know-how. Böhm betreibt die Toskana-Therme im thüringischen Bad Sulza und ist mit fünf Millionen Euro bei Irene Moessinger eingestiegen. Für fünf Jahre hat er das Liquidrom gepachtet, mit einer Option auf fünf weitere Jahre. Dass sich die Eröffnung immer wieder verschoben hat, zuletzt wegen technischer Probleme mit einer Unterwasser-Lautsprecher-Box, die ausgewechselt werden musste, lässt ihn kalt. Schwamm drüber, sagt Klaus Böhm: „Das Ergebnis ist das gleiche.“

Adresse: Möckernstraße 10, täglich geöffnet von 10 bis 22, freitags und sonnabends bis 24 Uhr. In Vollmondnächten bis 2 Uhr. Dann gibt es auch Live-Konzerte unter Wasser. Das nächste Mal am 26. Mai.

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