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Berlin: „Offene Debatten statt Strafe“

Zentralrat der Juden lehnt Sanktionen für Polizeischüler ab – CDU fordert sie

Die Reaktionen auf den Vorfall an der Berliner Polizeischule könnten unterschiedlicher kaum sein: Während die CDU „dienstrechtliche Konsequenzen“ fordert, plädiert der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland für „offene Debatten statt Strafen“.

„Der mutmaßliche Vorfall in der Polizeischule Ruhleben muss zügig aufgeklärt werden“, sagte Frank Henkel, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion gestern. Sollten die im Raum stehenden Vorwürfe zutreffen, müssten dienstrechtliche Konsequenzen gezogen werden. „Antisemitische Umtriebe dürfen nicht geduldet werden.“ Nicht nur bei diesem Fall zeige sich, dass Antisemitismus offenbar weiter latent durch die Gesellschaft wabert; selbst dann, wenn er sich nicht in Gewalt äußert wie bei dem Anschlag auf eine jüdische Kita vor drei Wochen, sagte Henkel weiter. Die öffentliche Debatte dieses Falles dürfe jedoch nicht dazu führen, die gesamte Polizei in Misskredit zu bringen. „Gerade in Deutschland ist es wichtig, dass die hier lebenden Juden nicht das Vertrauen in die staatlichen Institutionen verlieren. Dazu gibt ihnen die Berliner Polizei grundsätzlich auch keinen Anlass.“

Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, dass die von den Polizeischülern geäußerten Vorurteile gegenüber Juden und die Unwilligkeit, mehr über das Thema Holocaust zu erfahren, „leider jedem schon begegnet sind, der sich mit Schülergruppen beschäftigt“. Die Polizei sei auch nur ein Spiegel der Gesellschaft.

Das rechtfertige oder bagatellisiere die Äußerungen der Polizeianwärter aber nicht, denn Polizisten stünden in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Staat und haben hoheitliche Aufgaben zu erfüllen. Aber Grund zu strafrechtlichen Maßnahmen sieht Kramer nicht. „Uns ist es lieber, dass man offen darüber diskutiert, als dass man abstraft.“ Er selbst würde gerne mit der betreffenden Gruppe von Polizeischülern diskutieren.

Den tieferen Grund für solche Äußerungen sieht Kramer in der schulischen Erziehung über den Holocaust, die misslungen sei. Er beobachte, dass Jugendliche diesbezüglich in zwei Gruppen aufgeteilt werden könnten: Auf der einen Seite gebe es die Philosemiten, die alles immer gut finden, was Juden machen. Auf der anderen Seite diejenigen, die sich mit der Vergangenheit und mit den heute lebenden Juden gar nicht mehr auseinandersetzen wollen, wodurch sich Vorurteile verfestigten.

Volker Ratzmann, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, ist dafür, dass „die Bedeutung des Themas eventuell in anderen Formen im Unterrichtsplan der Polizeischule berücksichtigt wird“. Auf jeden Fall müssten die Polizeiführung und der Senat deutlich machen, „dass die Berliner Polizei jedem Versuch des Geschichtsrevisionismus entgegentreten wird“. Nur wer die Grundphilosophie der Berliner Polizei befolge, könne Polizeibeamter werden.

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