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Ständig neu. Seit 2008 hat sich die Zahl der ausgeliehenen Medien fürs iPad und andere Reader versechsfacht.

© dpa

Onleihe - per E-Book Bücher ausleihen: Im Netz haben die Berliner Bibliotheken immer geöffnet

Die Bibliotheken der Stadt schließen irgendwann – aber die Ausleihe nicht. Immer mehr Berliner leihen Bücher inzwischen mit einem E-Book-Reader aus. Und das Angebot in der Hauptstadt steigt.

24 Stunden, sieben Tage die Woche haben die Berliner Bibliotheken für ihre Kunden geöffnet. Wer wieder einmal mittwochs vor verschlossenen Türen einer der zahlreichen Stadtteilbibliotheken gestanden hat, kann das nur schwer glauben. Doch was viele noch nicht wissen: inzwischen können sich Lesefreunde aktuelle Bestseller und alte Schmöker rund um die Uhr ausleihen – und ohne Anstehen und Wartezeit direkt anfangen zu lesen: „Onleihe“ heißt das System, mit dem auch die Öffentlichen Bibliotheken ihre Bücher als E-Books verleihen.

Wer also nicht nur heute Abend, während der Langen Nacht der Bibliotheken in Büchern stöbern will, muss sich ins Internet begeben. Der Verbund der öffentlichen Bibliotheken Berlin (Voebb) bietet das schon seit 2008 gibt auf seiner Internetseite an. Mit einem normalen Mitgliedsausweis des Voebb können dort E-Books, E-Magazine, Audio- und Audiovisuelle Medien rund um die Uhr ausgeliehen und heruntergeladen werden.

In Mitte stöbert Nathalie Sachau durch das DVD-Angebot der Philipp-Schaeffer-Bibliothek. Die 40-Jährige sucht etwas zur Unterhaltung - "gerne auch zum Einschlafen". Sie wohnt um die Ecke und kam schon als Studentin hierher, heute ist sie Mutter und kommt mit ihren Kindern. Das nächste Buch einfach mal online aus der Bibliothek ausleihen und am Bildschirm lesen? "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich suche hier ja auch den Menschenkontakt. Und zu Hause habe ich nur einen großen Computerbildschirm, da will ich nicht dran lesen!" Den typischen Nutzer der Online-Ausleihe trifft man in solch einer Bibliothek natürlich nicht.

Aber die Ausleihzahlen der elektronischen Medien lassen keinen Zweifel: Das Interesse, sich das Buch oder die CD ganz einfach vom heimischen Sofa aufs Tablet oder Smartphone zu laden, nimmt zu: Seit 2008 hat sich die Zahl der ausgeliehenen Medien versechsfacht. Das Angebot der Bibliotheken ist mit der Nachfrage gestiegen. Heute stehen vier bis fünf mal mehr Exemplare als noch zu Beginn zur Ausleihe bereit: 23 379 Bücher, Hörbücher, Magazine, Musik, Zeitschriften und Videos hält das elektronische Archiv der Voebb derzeit vorrätig.

Der elektronische Bestand ist von Bibliothek zu Bibliothek sehr unterschiedlich

Keine Bindung an Öffnungszeiten, keine Mühe um Rückgaben, keine zusätzlichen Leihgebühren bei verspäteter Abgabe – die Vorteile sind vielfältig. Denn ist die Leihzeit für ein Medium abgelaufen, lässt sich die Datei einfach nicht mehr öffnen. Bei Tageszeitungen gilt das nach einer Stunde, Wochenzeitungen bleiben für vier Stunden lesbar, E-Magazine für einen Tag, alle anderen Medien für eine Woche.

Insgesamt wurden diese Medien seit 2008 fast eine Million Mal ausgeliehen, mit gut einer halben Million Ausleihen machen Elektronische Bücher dabei den größten Teil aus. Sachmedien und Ratgeber stehen an erster Stelle, gefolgt von Belletristik und Unterhaltung. Wurden 2008 noch 43 Medien aus der Jugendbibliothek geliehen, waren es 2013 bereits knapp 17 000.

„Der Trend ist deutlich erkennbar“, bestätigt Maiken Hagemeister, Sprecherin des Deutschen Bibliotheksverbands. „Der elektronische Bestand ist von Bibliothek zu Bibliothek noch sehr unterschiedlich, aber die elektronische Ausleihe hat sich im letzten Jahr verdoppelt“, sagt Hagemeister. Viele Bibliotheken könnten jedoch aufgrund der begrenzten Lizenzen nicht so viele E-Books vorhalten, wie sie gerne möchten. Laut Hagemeister vergeben einige Verlage aus Angst vor Raubkopien sogar gar keine E-Book-Lizenzen an Bibliotheken.

Zum Schutz des Urheberrechts sind alle elektronischen Medien der Voebb mit einem Digital Rights Management ausgestattet, das unter anderem die Druckrechte regelt. Hundertprozentigen Schutz vor Raubkopien gibt es natürlich nie. Aber auch analoge Bücher sind ja nicht vor Kopien geschützt.

Wird die Bibliothek der Zukunft ganz ohne bedrucktes Papier auskommen? „In den USA, in Texas, ist gerade die erste Bibliothek ohne Bücher eröffnet worden – dort kann man dann ausschließlich E-Books ausleihen“, sagt Hagemeier, „aber eine Bibliothek ganz ohne Bücher ist im Augenblick für Deutschland noch nicht vorstellbar.“ Für eine rein digitale Bibliothek müssten auch zunächst alle Bestände in digitaler Form vorhanden sein. Davon sind die meisten Bibliotheken noch weit entfernt. Vor allem in Fachbibliotheken und Sondersammelgebieten ist nicht alles digitalisiert, sagt Hagemeister, häufig müssten noch Rechte geklärt werden.

2012 machten die digitalen Titel der Voebb nur 0,26 Prozent des Gesamtbestandes aus

Laut Angaben des Voebb wird die Onleihe derzeit um wissenschaftliche Fachliteratur ergänzt. 2012 machten die digitalen Titel der Voebb nur 0,26 Prozent des Gesamtbestandes aus. Von einer negativen Auswirkung auf das physische Angebot kann derzeit also nicht die Rede sein.

Und dann gibt es da ja auch immer noch die treuen Buchliebhaber wie die 73-Jährige Renate Binder. Seit 20 Jahren kommt sie regelmäßig in die Philipp-Schaeffer-Bibliothek in Mitte. „Vier bis sechs Bücher lese ich im Monat“, erzählt Binder, „vor allem zum Wochenende muss ein Buch einfach sein.“ Immer wieder leiht sie sich Erwin Strittmachers „Der Laden“ aus. Und so schick auf einem Bildschirm, damit der Schinken nicht so schwer in der Hand liegt? „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Da bin ich einfach ein Technikmuffel.“

Karoline Kuhla

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