zum Hauptinhalt

Berlin: Organisierte Kriminalität: Banden konzentrieren sich auf Wirtschaftsverbrechen

Erstmals seit Jahren machen Wirtschaftsverbrechen den größten Teil der so genannten "Organisierten Kriminalität" (OK) aus. Fast jede zweite Straftat, die von Gruppen verübt wird, findet im Wirtschaftsleben statt.

Erstmals seit Jahren machen Wirtschaftsverbrechen den größten Teil der so genannten "Organisierten Kriminalität" (OK) aus. Fast jede zweite Straftat, die von Gruppen verübt wird, findet im Wirtschaftsleben statt. Das Landeskriminalamt ermittelte im vergangenen Jahr in 88 Fällen gegen organisierte Banden mit insgesamt 1251 Tatverdächtigen. Damit ist deren Zahl etwa so hoch wie in den vergangenen Jahren. Allerdings stieg die Anzahl der Ermittungsverfahren um mehr als das Doppelte. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses beraten die Politiker heute über Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung.

Ein Berliner Unternehmer ließ im vergangenen Jahr von Strohmännern Firmen zur Entsorgung von Altlasten gründen, die im gesamten Stadtgebiet Grundstücke mieteten. Auf den Firmengrundstücken lagerte der Unternehmer gegen hohe Gebühren Müll und Sonderabfälle. Nach kurzer Zeit gingen die jeweiligen Entsorgungsfirmen planmäßig in Konkurs, der Sondermüll wurde in keinem Fall entsorgt - der Geschäftsmann hatte von vornherein darauf spekuliert, sich mit dem Konkurs auch des Mülls entledigen zu können. Für den Fall, dass Geschäftspartner störende Nachfragen stellten, setzte der Unternehmer eine Gruppe aus dem "Rotlicht-Milieu" ein und bedrohte seine Kunden. Der Schaden beläuft sich nach Angaben der LKA-Fahnder auf acht Millionen Mark, 3,5 Millionen Mark Vermögen konnte die Polizei beschlagnahmen.

Fälle von Wirtschaftskriminalität wie dieser stiegen im Bereich der "Organisierten Kriminalität" nach einem Bericht der Polizei 1999 abrupt auf mehr als das Doppelte des Vorjahresniveaus an. 41 Prozent aller OK-Straftaten geschehen mittlerweile in der Wirtschaft. Danach folgen Fälschungsdelikte (20 Prozent) und Drogenhandel (13 Prozent). Der Bereich des illegalen Einschleusens von Flüchtlingen, der 1997 noch an der Spitze der OK-Straftaten stand, hat im vergangenen Jahr mit einem Anteil von rund 5 Prozent der Fälle nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Nach Angaben der Polizei nehmen Schleusergruppen derzeit bis zu 12 000 Dollar für eine erfolgreiche illegale Einreise nach Berlin. Gut die Hälfte aller Tatverdächtigen besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Während Deutsche in den Bereichen Waffenhandel, Wirtschafts- und Rotlichtkriminalität, Umweltverbrechen und Korruptionsdelikte dominieren, sind Vietnamesen bei Gewaltkriminalität, Südamerikaner bei Fälschungen und Jugoslawen und Rumänen bei Einschleusungen überproportional aktiv. Der Bericht der Polizei zur "Organisierten Kriminalität" widerlegt auch ein Vorurteil: Organisierte Gruppen sind nicht in erster Linie gewalttätig. Nur 73 Personen aus dem OK-Bereich waren 1999 nach den Erkenntnissen der Ermittler bewaffnet - ein verschwindend geringer Anteil.

Der Polizei gelang es im vergangenen Jahr, in einer Reihe von Fällen frühzeitig einzuschreiten, so dass diverse Straftaten verhindert werden konnten. Dadurch sank die Schadenssumme, die durch die 88 Banden angerichtet wurde, im Vergleich zum Vorjahr stark: Richtete die OK 1998 noch mehr als 464 Millionen Mark Schaden an, waren es im vergangenen Jahr nur noch 44 Millionen - ein Rückgang um mehr als 90 Prozent.

Holger Stark

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false