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Berlin: Politik muss gezielt helfen

Wie bürgerschaftliches Engagement vorangebracht werden kann

Von Sybille Volkholz Die Initiative „Hauptstadtkongress“ wie auch viele Initiativen zum bürgerschaftlichen Engagement sind notwendig und richten das Augenmerk darauf, dass es zu einer demokratischen Gesellschaft gehört, dass Bürger und Bürgerinnen sich für die Gestaltung der Gesellschaft, ihres Umfeldes selbst verantwortlich fühlen. Hier ein Forum zu schaffen für mehr Öffentlichkeit ist sinnvoll und unterstützenswert.

Leider werden solche Initiativen oft damit begründet, dass der Staat, insbesondere der Berliner Senat kein Geld mehr hat und daher mehr Lösungen durch das Ehrenamt gesucht werden müssen. Mit dieser Konstruktion begibt man sich leicht mental in eine negative Falle, indem das bürgerschaftliche Engagement als Notnagel definiert wird – und wer ist das schon gerne. Die Initiative Hauptstadtkongress will dies vermeiden, die Position beginnt trotzdem mit dem Aufschlag, dass der Staat an seine Grenzen geraten sei. Stattdessen sollte die politische Begründung eine umgekehrte Schlussfolgerung nahe legen: Wir haben es uns beim Aufbau der Bundesrepublik geleistet, in der DDR noch viel mehr, den Staat mit Aufgaben zu überfrachten, die in anderen – vor allem angelsächsischen Ländern – lange Traditionen von zivilgesellschaftlichem Engagement sind.

Dort ist es viel selbstverständlicher, dass Bürger und Bürgerinnen sich für ihr Umfeld verantwortlich fühlen – angefangen vom Sauberhalten der Stadt bis zur Erziehung der Kinder, im Gesundheitsbereich, in der Kultur ist das private und individuelle Engagement eine Selbstverständlichkeit. Wir kehren jetzt – angesichts knapper staatlicher Kassen – zu einem Normalverhältnis zurück und können ein neues Verhältnis zwischen individueller, gesellschaftlicher und staatlicher Verantwortung entwickeln, das einer Demokratie angemessener ist. Dies sollte als positive Entwicklung, die lange überfällig ist, geschätzt werden.

Eine aktive Bürgergesellschaft ist weder ein Gegenmodell noch ein Kooperationspartner für Staat und Parteien. Man sollte sich vor der Fiktion hüten, als gäbe es eine Bürgergesellschaft ohne unterschiedliche Positionen oder Konflikte. Parteien sind die politische Organisationsform zur Willensbildung mit grundgesetzlich garantiertem Schutz, denen bürgerschaftliches Engagement nicht entgegengesetzt werden sollte. Bürgerschaftliches Engagement ist die Übernahme von Verantwortung für die Gestaltung der Gesellschaft durch selbstbewusste Bürger und Bürgerinnen, ohne die keine demokratische Gesellschaft gut leben kann. Staat und Parteien sollten auf der einen Seite dies dadurch unterstützen, dass sie keine falschen Versprechungen für die Lösung von Problemen anbieten, die nicht alleine politisch zu lösen sind. Auf der anderen Seite sollten sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass solches Engagement unterstützt und nicht gelähmt wird. Keinesfalls aber sollte sich die Zivilgesellschaft Organisationsformen suchen, die Gegenmodelle zum Staat konstruieren.

Deswegen sollte bei der Organisationsform und der Netzwerkbildung auch darauf geachtet werden, dass die operative Freiwilligenarbeit vor Ort sinnvoll organisiert und das Engagement öffentlich gefördert wird. Es braucht in einer Region die Weitergabe von Informationen, wer im Krankenhaus helfen will oder im Sportverein oder in der Kita und Schule, muss wissen, wie sie oder er sinnvoll dorthin vermittelt wird und umgekehrt. Dafür reicht ein gutes Internetportal oder aber auch ein Landesnetzwerk, das es in der Form des „Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement“ gibt und das in seinem Aufbau und seiner Funktion gestärkt werden kann.

Es braucht Unterstützung zur Professionalisierung in der Organisation, wozu ebenfalls das Netzwerk genutzt werden kann. Auf keinen Fall braucht es Konstruktionen, in denen mehr Zeit im Netz als in der operativen Arbeit vor Ort verbracht wird. Zudem ist bei allen Initiativen sinnvoll, an Vorhandenes anzuschließen. Es gibt in der Stadt in vielen Bereichen gute Initiativen, die das bürgerschaftliche Engagement schon organisieren und fördern. Daran kann angeknüpft werden, es muss also nicht immer das Rad neu erfunden werden. Der Hauptstadtkongress hat dies auch getan. Was allerdings stärker von ihm ausgehen sollte, ist die Unterstützung von Initiativen, vorhandenen und neuen, die die Freiwilligenarbeit praktisch durchführen und dadurch stärken und nicht weitere Netzkonstruktionen reklamieren.

Sibylle Volkholz (Grüne) ist Mitglied im Bürgernetzwerk Bildung des Vereins Berliner Kaufleute (VBKI).

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