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Ausgebrannte Autos stehen an der Guerickestraße in Charlottenburg im Juli 2019 (Symbolbild).

© Paul Zinken/dpa

Ihm drohen Psychiatrie oder Sicherungsverwahrung: Brandserie aus Frust

Marcel G. hat drei Vorstrafen als Autobrandstifter. Nun steht er erneut vor dem Landgericht. Eine Aussage verweigerte er.

Wenn Marcel G. im Schutz der Dunkelheit Autos anzündete, hinterließ er am Tatort nie eine politische Botschaft. Ermittler gehen davon aus, dass er aus Frust zündelte - seit mehr als zehn Jahren.

Nun ist der 30 Jahre alte Mann erneut ein Fall für die Strafjustiz. Weil er im vergangenen Sommer in Berlin und Hamburg mehrere Fahrzeuge angezündet haben soll, steht G. seit Freitag vor dem Landgericht. Bei neun Taten seien insgesamt 14 Autos ganz oder teilweise ausgebrannt.

Lächelnd sah sich G. im Gerichtsaal um. Für ihn eine bekannte Situation. In früheren Prozessen berichtete er ausführlich. Er sprach über seinen Frust mit der linken Szene, die ihn als angeblichen Verräter verstoßen und sogar attackiert habe. Er schilderte Kontakte zum rechten Spektrum, die er nach dem Rauswurf geknüpft habe.

Sicherungsverwahrung oder Psychiatrie

Diesmal aber blieb es bei einem stummen Lächeln. Und diesmal droht ihm mehr als eine Haftstrafe. Das Gericht gab den Hinweis, dass bei einer Verurteilung auch seine dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder Anordnung von Sicherungsverwahrung in Betracht komme.

Dem ersten Zeugen nickte G. freundlich zu. Sie sind alte Bekannte. „Ich kenne aus dem früheren Verfahren“, sagte der Kriminalbeamte. Er leitete die wegen der Autobrandstiftungen in Berlin gegründete Ermittlungsgruppe „Nachtwache“.

Nachdem G. vor fünf Monaten in Hamburg auf frischer Tat ertappt worden war, fuhr der Beamte zur Vernehmung des Verdächtigen in die Hansestadt. Erst habe Marcel G. nichts sagen wollen. Doch er habe den Eindruck erweckt, „als ob ihm was auf der Seele brennt“. Dann redete er.

Ein Wiederholungstäter

Marcel G. stammt aus Gießen. Einen Beruf hat er nicht erlernt. Er soll sich mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen haben. Einen festen Wohnsitz hatte er zuletzt nicht. Zum vierten Mal steht er als Autobrandstifter vor einem Gericht: 2009 erhielt er in seiner Heimatstadt eine Jugendstrafe, 2013 wurde er in Hamburg zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und 2017 endete ein Prozess um drei attackierte Fahrzeuge mit einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Ende 2018 wurde er aus der Haft entlassen. Nur ein halbes Jahr später zündelte er wieder.

Mit seinem Leben im Allgemeinen sei er nicht glücklich, habe Marcel G. bei der Vernehmung in Hamburg erklärt, so der Zeuge. Sein Wunsch sei „ein ganz normales Leben“. Aus Frust verspüre er in gewissen Momenten den Drang, Sachen zu zerstören, Autos anzuzünden. G. habe auch berichtet, dass er bei der letzten Brandserie in einem Fall nach Stress mit seiner damaligen Freundin gezündet habe.

Mehrere hundert Fahrzeuge in Berlin beschädigt

Brandstifter haben auch im Jahr 2019 wieder hunderte Fahrzeuge in Berlin beschädigt. Rund 600 seien es gewesen. Die Zahl brennender Autos in der Hauptstadt ist damit auf Rekordhöhe. Die Polizei hatte deshalb im Juli 2019 die Ermittlungsgruppe „Nachtwache“ ins Leben gerufen, um Tätern auf die Spur zu kommen.

Motive bei Auto-Brandstiftungen sind Angaben zufolge häufig Vandalismus, pyromanische Tendenzen, private Rache und auch Versicherungsbetrug. Ein kleiner Teil sei politisch motiviert gewesen. Marcel G. soll in der Nacht zum 2. Juli auf einem Parkplatz in Schöneberg einen Toyota in Brand gesetzt haben – mit Grillanzünder, so die Anklage.

Die Flammen griffen auf einen Renault und einen BMW über. Rund vier Stunden später brannten in Charlottenburg drei Fahrzeuge. In der Nacht zum 31. Juli soll G. in der Lützowstraße in Tiergarten einen Wagen in Brand gesteckt haben. Dichte Rauchschwaden hätten an einem Wohnhaus einen Schaden von rund 180 000 Euro verursacht und die Bewohner gefährdet.

Politisch motiviert?

Danach setzte sich G. nach Hamburg ab und wurde dort als Zündler auf frischer Tat gefasst. Er gab in der Vernehmung mit dem Berliner Beamten auch zu Protokoll, er würde „niemals Menschenleben gefährden“. Drei der nun angeklagten Taten in Berlin habe G. damals zugegeben. Ob G. politisch motiviert gehandelt haben könnte? „Ich meine, er ist weder links noch rechts“, schätzte der Ermittler ein.

Nimmt man die Zahlen aller Prozesse gegen G. zusammen, geht es um rund zwanzig ganz oder teilweise ausgebrannte Fahrzeuge. Auf insgesamt 102 angezündete Autos hatte es vor einigen Jahren ein damals 27-Jähriger gebracht – es waren Anschläge aus Sozialneid und Geltungssucht, hieß es im Urteil des Berliner Landgerichts. Sieben Jahre Haft verhängten die Richter. Der Prozess gegen G. wird am Montag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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