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Polizei & Justiz: Jede Nacht brennen Autos – und die Polizei ist hilflos Anschläge aus der autonomen Szene gehen trotz 14 Festnahmen weiter

Betroffen sind vor allem Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte

Kein Ende der Brandanschläge in Berlin. Auch einen Monat nach dem G-8-Gipfel brennen fast jede Nacht Autos. Fünf Mittel- und Oberklassefahrzeuge brannten alleine in der Nacht zu Mittwoch ab, die Flammen griffen auf zwei weitere, daneben stehende Fahrzeuge über. Damit sind nach Zählung der Polizei in diesem Jahr bereits 85 Fahrzeuge aus politischen Motiven in Brand gesetzt worden – fast alle durch die linke Szene, sagte Lars Sünnemann vom Landeskriminalamt. 14 Personen wurden in Zusammenhang mit verschiedenen Brandstiftungen festgenommen, gegen 13 Tatverdächtige ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Tatverdächtigen wurden entweder von Zivilstreifen beobachtet oder aufmerksame Anwohner hatten die Polizei gerufen.

Nach Angaben von Dezernatsleiter Sünnemann soll jeder Verdächtige lediglich für Taten „im einstelligen Bereich“ verantwortlich sein. Wegen der andauernden Anschläge seien auch einen Monat nach Heiligendamm nachts weiterhin deutlich mehr Zivilstreifen unterwegs, hieß es. Näher wollte Sünnemann diese „nächtlichen Maßnahmen“ nicht beschreiben. Klar ist, dass die Beamten vor allem durch zwei Bezirke streifen: Friedrichshain-Kreuzberg liegt bei den Brandstiftungen mit Abstand auf Platz eins, dann folgt Mitte. Auch sämtliche Brandanschläge in der Nacht zu Mittwoch gab es in diesen beiden Bezirken.

Ein Auto, so ein Ermittler, sei schnell in Brand gesteckt: „Bücken, Brandbeschleuniger unters Auto legen, glimmende Zigarette daneben.“ Erst nach zwei bis drei Minuten – wenn der Täter längst weg ist – fange es an zu brennen. „Jemanden zu erwischen, ist deshalb äußerst schwierig.“ Zudem würden die Täter immer die Umgebung vorher genau „ausspähen“, ob Polizei oder Passanten in der Nähe sind, sagte Sünnemann. „Wir können nicht zu jeder Zeit an jeder Stelle präsent sein“, begründet auch Polizeipräsident Dieter Glietsch, warum nicht mehr Zündler erwischt wurden.

Wieso die Brandanschläge nach Heiligendamm entgegen der Erwartung der Polizei weitergehen, sei unklar. Möglicherweise würden die Täter durch die aktuellen Konflikte um die beiden linken Symbole „Köpi“ und „Rigaer“ sowie die Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel motiviert. Das Kulturprojekt Köpi in der Köpenicker Straße in Mitte war im Mai zwangsversteigert worden, im einst besetzten Haus Rigaer Straße 94 hat der neue Eigentümer Räumungsklagen erwirkt. Dort spitzt sich gerade der Streit zu: Eine für Sonnabend geplante Demonstration vor dem Haus des Eigentümers in Frohnau sei von der Polizei verboten worden, teilten die Bewohner der Rigaer Straße 94 mit.

Unterdessen wird in der linken Szene die Kritik an den Anschlägen lauter. Mehrfach wurden „14 Jahre alte Daimler oder Familienkutschen“ abgefackelt, sagte ein Ermittler, „da wird der kleine Mann im Kiez getroffen“. In den vergangenen Jahren hatten sich die Zündler dagegen auf Luxusautos oder Firmenwagen von Konzernen wie Telekom, Bahn oder Siemens konzentriert. Kritik findet sich auch in der neuesten Ausgabe der Autonomen-Zeitschrift „interim“: „Gezielter Glasbruch, zum Beispiel auf Arbeitsagenturen, kann politisch mehr bewirken als ein brennender Mittelklassewagen“, heißt es dort.

Für die CDU ist der „Brandterror“ ein Skandal. Der Abgeordnete Frank Henkel fordert eine Sonderkommission, „die sich massiv auf den City-Bereich konzentrieren“ solle. So könnten auch Trittbrettfahrer abgeschreckt werden.

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