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Regelmäßige Wartungen von Gasthermen sind wichtig.

© picture alliance / dpa

Prenzlauer Berg: Kohlenmonoxid: Familie zu Hause vergiftet

Ein 48-Jähriger lag am 23. Dezember bewusstlos in der Badewanne, Schuld war eine Kohlenmonoxidvergiftung. Seine Frau konnte ihn gerade noch retten. Jetzt ermittelt die Polizei, woher das Gas kam.

Von Sandra Dassler

„Wir hatten doch noch nie eine Gartenschere“ – diesem simplen Satz hat es Uwe K. zu verdanken, dass er das neue Jahr erleben wird. Diesem Satz und der Aufmerksamkeit und Beherztheit seiner Frau, die den 48-Jährigen vor dem Tod durch eine Kohlenmonoxidvergiftung in der eigenen Badewanne rettete.

Für seine Frau, Joyce K., ist die Erinnerung an diesen Freitag vor einer Woche noch immer ein Albtraum: Wie jedes Jahr am 23. Dezember schmückte sie mit ihrer Tochter den Weihnachtsbaum. Ihr Mann nahm ein Bad und irgendwann fragte sie ihn durch die geschlossene Tür, wo denn die Gartenschere sei. „Seine Antwort, dass wir nie eine gehabt hätten, was absoluter Blödsinn war, machte mich stutzig“, erzählt die 40-Jährige.

Vor allem deshalb stellte sie einige Minuten später noch einmal eine Frage. Als keine Reaktion erfolgte, öffnete sie die Badezimmertür und fand ihren Mann bewusstlos, den Kopf unter Wasser. „Ich hab’ ihn rausgezogen, beatmet und Herzdruck-Massage gemacht – alles, was mir einfiel“, sagt sie. Als die von der 14-jährigen Tochter alarmierten Rettungskräfte eintrafen, schlug Uwe K.s Herz zwar, aber noch nicht regelmäßig. Er atmete nicht, es bestand akute Lebensgefahr.

Auf der Intensivstation im Krankenhaus stellten die Ärzte eine Kohlenmonoxidvergiftung fest, auch bei Joyce K. und ihrer Tochter waren die Werte erhöht. Feuerwehrleute fuhren daraufhin noch einmal in die Wohnung der K.s in Prenzlauer Berg und stellten auch dort erhöhte Kohlenmonoxidwerte fest.

Sie vermuteten daher einen Defekt der Gastherme, die sich direkt über der Wanne im fensterlosen Bad befand, beziehungsweise eine Störung der Abzugsanlage. Die gemeinsam mit dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger angeforderte Netzbetreibergesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) schaltete die Therme aus und verplombte sie. Joyce K., die viel Zeit am Bett ihres immer noch zwischen Leben und Tod schwebenden Mannes verbrachte, erhielt einen Zettel mit der Aufforderung, ihren Vermieter zu benachrichtigen.

Der Vermieter ist aber bis heute nicht erreichbar – auch nicht für den Tagesspiegel, immerhin hatte Joyce K. die Nummer der zuständigen Heizungsfirma. Deren Mitarbeiter kam am Heiligabend, konnte aber – so der Chef der Firma – nichts tun, weil der zuständige Schornsteinfeger nicht erreichbar war und die Plombe von der NBB ungewöhnlicherweise nicht am Gashahn, sondern an der Therme angebracht gewesen sei.

Ob es nun ein Kommunikationsfehler oder einfach nur die Feiertage waren – die Heizung von Joyce K. blieb jedenfalls aus, die Wohnung kalt. Erst am Mittwoch kontrollierten Heizungsfirma und Schornsteinfeger die Anlage – und fanden nichts. „Wir haben weder Probleme beim Abzug noch einen Defekt in der Gastherme feststellen können“, sagt der Chef der Heizungsfirma. Deshalb habe man die Therme wieder freigegeben. Im übrigen sei an jeder Gastherme, die nicht älter als 25 Jahre ist, ein Kohlenmonoxid-Sensor angebracht, der im Ernstfall die Abschaltung der Anlage auslöst.

Soll heißen, dass eigentlich nichts passieren kann. Und doch passiert es immer wieder. Erst im August starben, wie berichtet, sechs Menschen in Köpenick an Kohlenmonoxidvergiftung, weil die Vormieter das Belüftungsrohr der von ihnen nicht genutzten Gastherme mit Stoff und Zeitungen verstopft hatten, um Zugluft zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall nicht nur gegen die Vormieter, sondern prüft nach Auskunft eines Sprechers auch, ob sich andere Personen strafbar gemacht haben.

Zuständig für die Sicherheit von Gasthermen ist nicht wie oft angenommen die Gasag beziehungsweise die zu ihr gehörige NBB. Deren Verantwortung bezieht sich nur auf das Leitungsnetz und endet dort, wo die Leitung in das Gebäude führt, sagt NBB-Sprecher Carsten Döring. Im Gebäude sind die Hauseigentümer zuständig. Sie sind verpflichtet, Heizungsanlagen regelmäßig durch den zuständigen Bezirksschornsteinfeger prüfen zu lassen. Seit 2008 dürfen diese Prüfung auch ausländische Firmen übernehmen, was nach Ansicht von Experten dazu führt, dass die Überwachungsqualität der Feuerstätten sinkt.

Vermieter haben nach Paragraf 535 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch dem Mieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Auch die Heizungsanlage, die in der Regel mitvermietet wird, muss der Mieter ohne Risiko nutzen können. Um das sicherzustellen, sollte neben der Prüfung durch den Schornsteinfeger auch eine regelmäßige fachmännische Wartung erfolgen.

In Joyce K.s Wohnung ist das alles angeblich geschehen. „Die Wartung war am 7. Juni 2011, kurz danach hat der Schornsteinfeger kontrolliert“, sagt der Chef der Heizungsfirma. Woher das Kohlenmonoxid kam, sei ihm ein Rätsel, aber jetzt, versichert er, sei alles in Ordnung.

Joyce K. verlässt sich darauf nicht mehr. Sie hat sich einen Kohlenmonoxid-Melder gekauft. Feuerwehrsprecher Sven Gerling kann das verstehen. „Unsere Männer haben eine erhöhte Kohlenmonoxidkonzentration gemessen“, sagt er: „Die verschwand, nachdem die Therme abgeschaltet war. Ich hätte auch keine Ruhe, so lange man die Ursache nicht kennt.“

Joyce K. hat jetzt Anzeige erstattet. Gegen Unbekannt. Uwe K. kehrte am gestrigen Donnerstag aus der Klinik nach Hause zurück. Gesund ist er noch nicht.

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