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Prozess: Die Angst fährt mit

Nach einem Messerangriff auf einen Busfahrer stehen zwei junge Männer vor Gericht. Die Angst ist dem Opfer bis heute geblieben.

Der Gerichtssaal, die Angeklagten, die Erinnerungen. Der Busfahrer kämpfte mit den Tränen. „Ich kann das nicht“, schluchzte er und schlug sich die Hände vors Gesicht. Der 34-jährige Familienvater wurde vor dreieinhalb Monaten niedergestochen. Er hatte zwei pöbelnde junge Männer aufgefordert, den Bus zu verlassen. Tausend Fahrgäste befördere er täglich, sagte der Busfahrer gestern vor dem Landgericht. „Aber so eine Aggression habe ich noch nie, nie erlebt.“

Die mutmaßlichen Angreifer sind Mehmet S. und Selcuk B., 25 und 23 Jahre alt, in Berlin geboren, wie der Busfahrer türkischstämmig. Sie müssen sich wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung verantworten. Die jungen Männer hatten im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Nun entschuldigten sie sich und verwiesen auf „alkoholbedingte Aggressionen“. Mehmet S. gab zu, dass er ein Messer zog. „Ich wollte ihn aber nicht töten, ich wollte nur, dass der Busfahrer aufhört, S. zu schlagen“, versicherte er.

Die Angeklagten kamen von einer türkischen Hochzeit. Er habe reichlich Raki getrunken, sagte der Ältere. Im Bus der Linie M 29 habe sein Freund B. dann laut mit seiner Freundin telefoniert. Eine Türkin beschwerte sich. „Da war die Frau plötzlich der Angriffspunkt“, erinnerte sich der Busfahrer. Er stoppte, ging ins Oberdeck. Mit beruhigenden Worten habe er versucht, auf die Streitenden einzuwirken. „Wir werden dich abstechen“, habe ihm einer der Männer daraufhin gedroht. Eine zierliche Frau soll gemahnt haben: „Lasst doch den Busfahrer in Ruhe.“ Da sei die Dame geschlagen worden, sagte der Busfahrer. Er habe eingegriffen. Es sei zu einem Schlagabtausch gekommen. „Bis ich plötzlich Schmerzen im Rücken spürte.“ Die Wunde war zehn Zentimeter tief. Die Angst ist geblieben.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt, doch ganz gleich, wie das Urteil gegen die beiden Tatverdächtigen lauten wird: Sie werden auch künftig mit der BVG fahren dürfen. Im Gegensatz zur S-Bahn, die kürzlich drei Intensivtätern für ein Jahr ein Beförderungsverbot ausgesprochen hatte, beruft sich die BVG auf ihre „Beförderungspflicht“. Unternehmenssprecher Klaus Wazlak sagte: „Die BVG und die S-Bahn haben dazu unterschiedliche Rechtsauffassungen.“ Als landeseigenes Unternehmen habe die BVG eine „Daseinsfürsorge“, sie sei verpflichtet, Fahrgäste, die ein gültiges Ticket haben, zu befördern. Zwar könne die BVG ein Hausverbot aussprechen, „das machen wir rund 300 Mal pro Jahr“, doch dies sei kein Beförderungsverbot. Das Personal darf demnach zwar per Hausrecht Platzverweise aussprechen. „Kommt die Person mit einem gültigen Fahrschein und steigt in die Bahn, dann müssen wir das zulassen“, sagte Wazlak. Darüber stritten zwar die Juristen, „aber wir halten derzeit an unserem Hausrecht fest“.

Im ersten Quartal dieses Jahres sei die Zahl der Übergriffe auf BVG-Mitarbeiter im Vergleich zu 2007 „signifikant gesunken“: auf 87 leichte (Vorjahr 112) und 23 (37) schwere Angriffe. tabu/K.G.

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