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Prozess um toedliches Wetttrinken

© ddp

Prozess: Tödliches Wetttrinken: Wirt muss ins Gefängnis

Er trank Wasser, der Jugendliche hingegen 45 Tequila. Das Täuschungsmanöver endete für den 16-Jährigen tödlich. Der angeklagte Wirt muss nun für mehr als drei Jahre hinter Gitter.

Vom Tresen ins Gefängnis: Der einstige Gastwirt Aytac G. ist nach Ansicht der Richter für den Alkohol-Tod des 16-jährigen Lukas verantwortlich und soll ins Gefängnis. Eine Haftstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verhängte das Landgericht gestern gegen den 28-Jährigen. Durch das Wetttrinken mit dem Schüler habe er sich der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Die Anklage hatte vier Jahre Haft gefordert, die Verteidiger eine mildere Strafe. Lukas war nach etwa 45 Tequila ins Koma gefallen. Er starb fünf Wochen später.

„Dass Lukas W. die unglaubliche Menge Alkohol trank, ist dem Angeklagten zuzurechnen“, sagte Richter Peter Faust. Zwar habe der Junge jedes einzelne Glas angefasst und von sich aus hinuntergekippt. „Die Selbstgefährdung des Verstorbenen ist dem Angeklagten aber zuzuordnen.“ Denn Aytac G. ließ sich zunächst heimlich Wasser statt Schnaps einschenken. „Er wusste, dass es kein fairer Wettkampf ist“, befand das Gericht. Der Wirt habe gewusst, dass getrunken werden sollte, bis einer nicht mehr kann. Durch den Betrug „hatte der Junge keine Chance, seine Risikobewertung zu korrigieren“.

Es war vier Uhr morgens, als Lukas am 25. Februar 2007 ins „Eye-T“ am Spandauer Damm in Charlottenburg kam. Der Schüler einer neunten Klasse war mit dem Wirt zum Tequila-Duell verabredet. Wer sich zuerst übergibt, hat verloren. So hatten sie es vereinbart. Aytac G. wusste, dass Lukas erst 16 Jahre alt war. In seiner Bar sei es „Geschäftspolitik“ gewesen, junge Kunden mit niedrigen Preisen für Alkoholika anzulocken, sagte der Ankläger.

Runde um Runde schüttete der Junge 38-prozentigen Schnaps in sich hinein. Aytac G. aber betrog. Weil der Wirt befürchtete, dem Duell nicht gewachsen zu sein, hatte er eine der bereitgestellten Tequila-Flaschen mit Wasser gefüllt und einen Hilfskellner angewiesen, ihm davon einzuschenken. Erst nach einer Verwechslung der Gläser wurde der Schwindel beendet. Lukas brach schließlich am Tresen zusammen. Mit 4,4 Promille Alkohol im Blut fiel er ins Koma.

Lukas hatte häufiger Alkohol getrunken. Seiner Mutter entging das nicht. Sie sah es mit Sorge, setzte sich mit ihm auseinander. Aber der Jugendliche glaubte, alles im Griff zu haben. Am Abend vor dem Tequila-Duell ging er in die Disko. Seiner Mutter hatte er gesagt, dass er danach bei einem Freund übernachten werde. „Wir fragen uns, warum sich Lukas auf so einen Unfug eingelassen hat“, sagte er der Richter einmal zu einer Freundin des Schülers. Sie vermutete: „Vielleicht wollte er sich ein bisschen beweisen.“

Der Tod des Gymnasiasten erregte bundesweit Aufsehen und löste eine Debatte über Alkoholexzesse unter Jugendlichen aus. Ein Strafprozess aber könne keine gesellschaftlichen Probleme lösen, unterstrich Faust. Es gehe nicht um Moral und Abschreckung, sondern um individuelle Schuld. Die Verteidiger wollten einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhindern, sprachen von einem „klassischen Fall der Selbstgefährdung“.

Mit dem Verfahren wurde juristisches Neuland betreten: Erstmals führte ein Wett-Trinken mit tödlichem Ausgang zu Anklagen. Ein Urteil gegen zwei 18- und 21-Jährige, die Tequila ausschenkten und eine Strichliste führten, ist bereits rechtskräftig. Sie sollten wegen Beihilfe zur Körperverletzung jeweils einen sozialen Trainingskurs besuchen. Aytac G. hatte vor Gericht das Wett-Trinken und auch den Betrug gestanden.

Kerstin Gehrke

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