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Urteil: Brennende Autos: Erster Prozess endet mit Freispruch

Alexandra R. soll im Mai ein Auto angezündet haben. Obwohl nach der Festnahme der jungen Frau Grillanzünder und linksradikale Propaganda in ihrer Wohnung gefunden wurde, hatte das Amtsgericht "durchgreifende Zweifel" an der Täterschaft der 21-jährigen Angeklagten.

Die 21-Jährige lächelte kurz, als der Richter das Urteil verkündete. „Die Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse freigesprochen“, entschied das Amtsgericht gestern. „Aus unserer Sicht bestehen durchgreifende Zweifel an ihrer Täterschaft.“ Die Entscheidung überraschte nicht mehr. War doch die Frau, die als mutmaßliche Autoanzünderin gefasst worden war, bereits in der vorigen Woche nach fünfeinhalb Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft aber blieb auf ihrem Kurs und hatte kurz vor dem Urteil auf drei Jahre Haft plädiert.

Der Fall Alexandra R. war für die Ermittler zunächst ein Erfolg. Die Festnahme der Frau aus der linken Szene war die erste im Zusammenhang mit politisch motivierten Auto-Brandstiftungen. Eine Haftverschonung verhinderte die Anklagebehörde. Alexandra R. verlor ihren Ausbildungsplatz. Sie wollte Binnenschifferin werden. Doch seit Mai saß sie hinter Gittern, weil sie in der Nacht zum 18. Mai in der Liebigstraße in Friedrichshain Grillanzünder auf den Reifen eines 15 000 Euro teuren Mazda gelegt und angezündet haben soll. Eine Polizeistreife sah einen Feuerschein.

Einer der beiden Beamten löschte die Flammen. Der 28-jährige Polizist galt später als Hauptbelastungszeuge. Er erklärte, dass er das Gesicht der verdächtigen Person für einen kurzen Moment gesehen habe. Ihm sei „nichts Markantes, kein bestimmtes Detail“ aufgefallen. Die Richter kamen zu dem Schluss: „Es gibt an dem sicheren Wiedererkennen Zweifel.“ Und bei Alexandra R. seien keinerlei Spuren festgestellt worden, „die etwas mit Grillanzünder zu tun haben“.

Fast jede Nacht brennen in Berlin Autos. An die 250 sollen es in diesem Jahr bereits gewesen sein. Die Ermittler aber laufen einem Erfolg gegen die mutmaßlichen Täter noch immer hinterher. Zwei Prozesse um politisch motivierte Auto-Brandstiftungen liefen. Einer platzte auf Betreiben der Ankläger, als alles auf einen Freispruch hinauslief. Ein neues Brandgutachten soll auf Antrag der Staatsanwaltschaft erstellt werden.

Im Fall von Alexandra R. hielt die Anklägerin die Indizien für tragend. „Es besteht kein Zweifel, dass sie die Person war, die am 18. Mai Grillanzünder auf den Reifen legte.“ Aus ihrer Sicht ergaben Indizien eine schlüssige Beweiskette. Alexandra R. sei „zeitnah zur Tat“ gefasst worden. Und in ihrer Wohnung habe man eine Tüte mit Grillanzünder, Handschuhen und Feuerzeug sowie linksradikale Propaganda gefunden. Die Anklägerin forderte eine Strafe zur Abschreckung. Die Verteidigerinnen konterten scharf: „Die Staatsanwaltschaft hat sich dem politischen Druck unterworfen.“ Sie wolle auf Biegen und Brechen eine Verurteilung durchdrücken, „weil man endlich jemanden haben muss“. Die Behörde habe „Unwahrheiten niedergeschrieben“. Tatsächlich aber gebe es weder objektive Beweismittel wie Spuren an Händen oder Kleidung noch haltbare Indizien. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Kerstin Gehrke

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