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Update

Vor Gericht: Vater sperrte erwachsenen Sohn monatelang ein

Ein 67-jähriger Mann hat seinen behinderten, erwachsenen Sohn über ein Jahr in einer Ein-Zimmer-Wohnung eingesperrt. Nur durch Zufall entdeckte die Polizei den hilflosen 35-Jährigen. Jetzt steht der Vater vor Gericht.

Der Zufall führte zu einer Adresse in Neukölln. Da war Sven K. bereits 15 Monate als vermisst gemeldet. Als Polizisten die Tür öffneten, stockte ihnen der Atem. Die Wohnung glich einem Käfig. Der Boden mit Papier ausgelegt, Müll und Dreck überall, die Fenstergriffe abmontiert, Scheiben abgeklebt. An der Tür des einzigen Zimmers fehlte innen die Klinke. In dem Elend saß ein junger Mann. Er trug nur eine Windelhose. Es war Sven K., psychisch krank, pflegebedürftig. Sein Vater soll ihn eingesperrt haben.

Der unglaubliche Fall wird seit Mittwoch vor einem Amtsgericht verhandelt. Auf der Anklagebank ein grauhaariger Mann mit Spitzbart. Der 67-jährige Axel H. ist Diplom-Ingenieur und nach seiner Version ein Vater, der sich rund um die Uhr um sein Kind gekümmert hat. Als die Staatsanwältin die Anklage verlas, schüttelte er den Kopf und zerrte Papiere aus seinem Rucksack. Es waren Briefe mit Vorwürfen gegen den damaligen Betreuer seines erwachsenen Sohnes Sven (Name geändert). Der Betreuer habe „erbarmungslos und menschenverachtend“ Gelder unterschlagen, sagte der Angeklagte. Sie seien dadurch obdachlos geworden.

Im November 2007 brachte er seinen Sohn in eine Wohnung in der Neuköllner Erkstraße. Ein Verlies im Erdgeschoss, Seitenflügel links. „Der Angeschuldigte, der seinen Sohn meist abends besuchte, um ihn mit Essen zu versorgen, verschloss die Tür, wenn er die Wohnung verließ, stets zweimal“, hieß es in der Anklage. Vor dem Türspalt sei Wäsche gepresst worden, um „mögliche Schreie des Opfers zu dämpfen“.

Die Mutter soll den Sohn, der nach der Scheidung in den 1970er Jahren vorwiegend beim Vater lebte, als vermisst gemeldet haben. Axel H. hatte eine Wohnung in der Karl-Marx-Straße.

Eine Anzeige wegen eines angeblichen sexuellen Übergriffs führte im Februar zu Sven (Name geändert). Es ging um einen Klaps auf den Po eines Neunjährigen. Wohnungen wurden durchsucht. In der Karl-Marx-Straße fanden Beamte einen Schlüssel, beschriftet mit „Sven“. Er führte zur Neuköllner Erkstraße. Axel H. behauptete nun, dass Sven sich geweigert habe, mit in die Karl-Marx-Straße zu ziehen. „Er fühlte sich in der Erkstraße sicher.“ Angeblich lebte auch er, der Vater dort. Handelte es sich also nicht um ein Gefängnis, sondern um einen Akt der Hilflosigkeit? Noch sind viele Fragen offen. Der Prozess geht am 15. September weiter.

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