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Wedding: Rätsel um tote Polizisten

Zwei Beamte erschossen sich mit ihrer Dienstwaffe – auf derselben Wache binnen weniger Tage.

Nach dem Selbstmord zweier Polizisten versuchen Ermittler weiter, die genauen Umstände der Todesfälle zu klären. Bislang ist nur klar, dass beide sich mit der Dienstwaffe getötet haben, und beide arbeiteten im selben Abschnitt in Wedding. „Wir gehen nach den derzeitigen Erkenntnissen weiter davon aus, dass es keinen Zusammenhang zwischen beiden Fällen gibt“, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch. Die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.

Auf dem verschneiten Hof vor der Dienststelle, umringt von großen Backsteingebäuden, stehen Beamte beisammen und rauchen. Unter den Kollegen des Polizeiabschnitts 35 in der Oudenarder Straße in Wedding herrscht am Mittwoch Fassungslosigkeit über den Selbstmord der Kollegen. „Ich kann das gar nicht glauben“, sagt eine Beamtin leise. „Das macht natürlich sehr betroffen“, sagt ein Kollege. Gerade in Wedding sei der Job oft besonders hart. „Aber dass sich ein Kollege deswegen umbringt, kann ich mir nicht vorstellen.“ 187 Polizisten arbeiten hier rund um die Uhr im Schichtdienst. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich bis zum Kapweg im Norden und zur Reinickendorfer Straße im Osten. Südlich und westlich wird es vom Hohenzollernkanal und dem Kurt-Schumacher-Damm begrenzt.

Wie berichtet, hatte sich am Dienstag ein 49-jähriger Polizeihauptkommissar während des Dienstes offenbar unbemerkt im Sanitätsraum des weitläufigen Gebäudes mit seiner Waffe erschossen. Kollegen wunderten sich, dass er zu einer Besprechung nicht auftauchte. Als zwei Mitarbeiter den Beamten schließlich fanden, war er schon tot. Unklar bleibt, warum niemand den tödlichen Schuss gehört hat. Am Wochenende hatte sich in einer Kleingartenanlage am Halligweg in Tegel ein 44-jähriger Polizist ebenfalls mit der Dienstwaffe getötet. Auch er war auf der Weddinger Wache im Einsatz.

Über mögliche Gründe für die Taten wollte am Mittwoch niemand spekulieren. Die Arbeit bei der Polizei kann belastend sein – die ständige Konfrontation mit Toten und Verletzten, die angespannte Personalsituation, die Einsatzlage. Die Gewerkschaft der Polizei spricht seit Monaten von einer gestiegenen Arbeitsverdichtung. Viele Mitarbeiter des Landeskriminalamts in Tempelhof etwa müssten derzeit rund 50 Stunden die Woche arbeiten. Der „Verschleiß“ führe zu einem hohen Krankenstand von bis zu elf Prozent der Kollegen. Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, sagte dem Tagesspiegel: „Der Job ist extrem belastend und familienfeindlich.“ Einige Beamte hätten mehr als 200 Überstunden angesammelt, Männer aus den Einsatzhundertschaften litten unter zuweilen nur drei komplett freien Wochenenden im Jahr. Auch die CDU kritisiert seit Jahren die Personalentwicklung bei der Polizei: So werde seit 2001 daran gearbeitet, die 48 Polizeiabschnitte in der Stadt auf 36 zu reduzieren.

Auffällig war in den vergangenen Jahren, dass viele Polizistenselbstmorde mit dem Thema Mobbing in Verbindung gebracht wurden. Schon einmal gab es zwei Selbstmorde von Beamten, die denselben Chef hatten. Allerdings lagen drei Jahre dazwischen. hah, jra, fk

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