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Berlin: Polizei schult Beamte im Umgang mit Gewalt in der Familie - jährlich flüchten 4500 Opfer ins Frauenhaus

Das Thema Gewalt in der Familie soll von der Polizei verstärkt bekämpft werden. Dazu hat Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern die "Leitlinien für polizeiliches Handeln in Fällen häuslicher Gewalt" vorgestellt.

Das Thema Gewalt in der Familie soll von der Polizei verstärkt bekämpft werden. Dazu hat Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern die "Leitlinien für polizeiliches Handeln in Fällen häuslicher Gewalt" vorgestellt. Mit der Broschüre erhalten die Beamten Verhaltenstips bei Gewaltsituationen in Familien. Zudem sollen Polizisten durch Aus- und Fortbildungen künftig stärker für das Phänomen sensiblisiert werden. Dazu bekommen die Mitarbeiter in der Notrufaufnahme Checklisten, mit denen sie die Situation vorab einschätzen können.

"Das Thema wurde, wie in der Gesellschaft, auch bei der Polizei lange tabuisiert", räumte Saberschinsky ein. Dazu habe auch die Unsicherheit der Beamten im Umgang mit der Gewalt in Familien beigetragen. Nachdem man bisher bereits rund 1000 Polizisten zu diesem Thema geschult habe, sei deutlich geworden, dass diese Mitarbeiter sicherer auf Gewaltsituationen reagierten.

Die Leitlinien entstanden in einem gemeinsamen Projekt von Senatsinnen- und der Justizverwaltung, dem Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, BIG e.V., Frauenhäusern und Beratungsstellen. Das Modellprojekt wurde vor vier Jahren ins Leben gerufen und soll das Thema häusliche Gewalt stärker in die Öffentlichkeit rücken. Vor allem aber wollen die Teilnehmer des Projektes Wege schaffen, um diese Art der Gewaltanwendungen effektiver zu bekämpfen. "Dazu darf nicht länger nur auf die Opfer reagiert werden", sagte Patricia Schneider von BIG. Wichtig sei, bei diesen Gewalttaten auch, auf die Täter einzugehen und ihnen klarzumachen, dass sie nicht das Recht haben, Gewalt gegen ihre Partnerinnen anzuwenden.

Die Brutalität in Familien hat erschreckende Ausmaße erreicht. Allein in Berlin flüchten sich jährlich etwa 4500 Frauen in Frauenhäuser. Nach einer Erhebung der Polizeidirektion 7 (Hohenschönhausen, Marzahn, Weißensee, Prenzlauer Berg und Hellersdorf), die drei Monate alle Anzeigen zu häuslicher Gewalt gesammelt hatte, wurden 526 Anzeigen - täglich also fünf bis sechs - wegen häuslicher Gewalt erstattet. 75,7 Prozent der Opfer waren Frauen. In mehr als 86 Prozent der Fälle waren Männer die Täter.

Um auch juristisch auf Gewaltstraftaten reagieren zu können, wurde das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) in den vergangenen Monaten intensiver ausgeschöpft. Tätern kann seit der Änderung des ASOG im Mai untersagt werden, sich ihrer Frau im öffentlichen Raum - beispielsweise am Arbeitsplatz - zu nähern. Vorbild für diese juristischen Möglichkeiten ist die österreichische Gesetzgebung, wonach Täter eine Woche bis 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden können.

Auch in Berlin hat die Justizverwaltung 1996 zum verstärkten Kampf gegen häusliche Gewalt ein Sonderdezernat bei der Berliner Anwaltschaft eingerichtet. Dieses schreitet dann ein, wenn zwischen den Beteiligten eine häusliche Gemeinschaft im Sinne einer Beziehung bestehe. Von März 1998 bis Februar 1999 hatte die Anwaltschaft 5320 Verfahren wegen häuslicher Gewaltanwendungen registiert.

Silke Edler

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