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Berlin: Polly, Effi und Paula

Die Welten der Schauspielerin Angelica Domröse im Buch

Nix da von spröder Dornrose. Sie lächelt in die Kameras, locker, entspannt und ein bisschen aufgeregt. Diese Premiere ist für Angelica Domröse neu: Lobreden hören, Blumen kriegen und erst dann zu Wort kommen. Die Schauspielerin sitzt mit ihrem Mann Hilmar Thate, schwarz gewandet, in der ersten Reihe der Buchvorstellung in der Akademie der Künste – es ist ihr Leben, was da auf fast 400 Seiten beschrieben wird. „Ich fang mich selbst ein“ nennt sich der Report einer Frau, die im April 1941 in einem Weißenseer „Heim für gefallene Mädchen“ zur Welt gekommen ist und nun die Zeit für ihre Memoiren für gekommen hielt. Viele Abende, verteilt über zwei Jahre, unterhält sich die Schauspielerin mit der Tagesspiegel-Autorin Kerstin Decker, die das ganze aufregende Domröse-Leben zwischen Ost und West spannend, pointiert und hier und da mit einem listigen Augenzwinkern niederschreibt. „Es war wie die Erarbeitung einer Rolle“, sagt die Hauptdarstellerin des Buches, mit dem sie nun auf Lese-Tournee durchs Land geht.

Ein begeistertes Publikum bekam schon mal einen Vorgeschmack von Angelika Domröses Talent, beim Artikulieren und Rezitieren auch über sich selbst zu lachen. Das Buch besteht aus vielen kleinen Feuilletons und erlebten Kurzgeschichten mit unzähligen Leuten, mit denen es das Kind, die Schauspielschülerin, die Darstellerin und schließlich Regisseurin zu tun hatte. Diese Storys über den Aufstieg der gefeierten Film-, Fernseh- und Theaterschauspielerin lesen sich stellenweise wie ein Who is who der deutschsprachigen Bühnenprominenz, man sitzt wirklich in der Loge und guckt, was da die Stadtmenschen in Berlin, Wien, Paris und überhaupt in Europa so anstellten. „Sie hat beide Welten durchschaut“, lobt Friedrich Schorlemmer, „sie ist, wie sie erscheint, und sie erscheint, wie sie ist“, grundehrlich, geradezu und mit dem gesunden (Berliner) Menschenverstand ihrer Paula, die damals bei der Obrigkeit so wenig gelitten war, dass der Film „Paul und Paula“ nicht bei Filmfestspielen gezeigt werden durfte.

Angelika Domröse erzählt von ihren Männern und ihrer Ehe mit dem 21 Jahre älteren, tschechischen Schauspieler Jiri Vrstala, den alle Kinder als „Clown Ferdinand“ verehrten. Die Ehe zerbrach, mit Hilmar Thate zog sie aus 140 Quadratmetern in Pankow in eine 14-Quadratmeter-Bude in Lichtenberg – 14 Jahre zuvor waren sich die beiden begegnet. „Ich sah . . . den jungen Brecht-Star auf dem Hof des Berliner Ensembles sein Auto waschen und fand das ausgesprochen albern. So sind sie, die großen Pathetiker, dachte ich. Hätte nicht auch Brecht für ein neues Auto die Weltrevolution verraten? – ’Na, Kleene, jehste wieda üben?’, fragte er mich mit Putzlappen in der Hand und dennoch aller Arroganz dessen, der schon . . . länger an diesem Theater ist. Ich antwortete: ’Den Ton verkneifen wir uns aba, wa?’“ Das war’s. Das war und ist „die Domröse“, von Helene Weigels „Pupperl“ zur „Polly“, Paula und Effi Briest bis zu Taboris Stalin – ein Star, der traurig in den Westen ging.

Zwangsläufig: Da sind Biermanns Ausbürgerung und ein Herr Schneider von der Stasi, der ihr schon einen IM-Namen verpasst hat: „Elfriede“ soll sie heißen und „glaubhaft zur Diskretion angehalten werden“. Da muss Angelica heute noch lachen, „ausgerechnet ich. Und dann auch noch Elfriiiiiiiiiede!“ ruft sie voll Entrüstung ins Publikum.

Dieser Band voller Liebe, Leben, Leidenschaft und Lust mit seinen ernsten Seiten und all dem Klatsch und Tratsch wird wohl am besten von der Hauptperson vermittelt: Ein Hörbuch ist in Vorbereitung.

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