zum Hauptinhalt

Berlin: Postfuhramt in Mitte: Pferdeställe zu Konzernbüros

Wenn viele Berliner und Touristen auf Anhieb interessante Gebäude an der Oranienburger Straße nennen müssten, fiele ihnen zunächst die Synagoge und das Tacheles ein. An ein drittes eindrucksvolles Bauwerk, das formenreiche, mit Terrakotta-Ornamenten geschmückte Haus an der Ecke Tucholskystraße, wird weniger gedacht.

Wenn viele Berliner und Touristen auf Anhieb interessante Gebäude an der Oranienburger Straße nennen müssten, fiele ihnen zunächst die Synagoge und das Tacheles ein. An ein drittes eindrucksvolles Bauwerk, das formenreiche, mit Terrakotta-Ornamenten geschmückte Haus an der Ecke Tucholskystraße, wird weniger gedacht. Dabei hätte es auch viel Aufmerksamkeit verdient: Das ehemalige, seit Jahren leer stehende Postfuhramt, in dem es Pferdeställe nicht nur im großen Hof, sondern bis in den ersten Stock gab. Als Teil der Post-Konzernrepräsentanz, zudem ausgestattet mit Galerien, Boutiquen oder auch Restaurants, könnte es bald neuen Glanz erhalten und mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken.

Äußerlich war es eines der repräsentativsten Bürogebäude Berlins, und auch heute noch beeindruckt seine Architektur. Zu DDR-Zeiten wurde die Substanz des wilhelminischen Prachtbaus gepflegt, doch seit vielen Jahren ist es sanierungsbedürftig und wird nur für Ausstellungen genutzt. Der Einzug der Berlinischen Galerie zerschlug sich; ein Museumsbau ist das Bauwerk nicht, anfängliche Kostenschätzungen für Renovierungs- und Ausstattungsarbeiten kamen auf rund 100 bis 150 Millionen Mark. Die Deutsche Post will dem unbefriedigenden Provisorium ein Ende machen. "Wir stehen am Anfang einer Entwicklungsplanung", sagte gestern Postsprecher Rolf Schulz.

Schon vor etwa anderthalb Jahren war bei der Post der Plan gereift, das Bauwerk nicht zu verkaufen, sondern selbst nach einer sinnvollen neuen Nutzung zu suchen und umzubauen. Derzeit arbeitet ein Stadtplanungsbüro an einem Gutachten für das Bauwerk, das mögliche Umbauten unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes untersucht: Beispielsweise klärt, ob und wie sich dort Teile der Konzernrepräsentanz oder auch andere Abteilungen der Deutschen Post einrichten lassen, ebenso Läden, Galerien und Restaurants. "Die Planung ist noch völlig offen", betonte Rolf Schulz. Über mögliche Investitionssummen oder Zeitpläne könne man deshalb noch keine Angaben machen. Der lange Dornröschenschlaf des Hauses werde jedenfalls ein Ende haben.

Mitte der neunziger Jahre schien das Bauwerk als neues Domizil der Berlinischen Galerie auserkoren zu sein, deren Tage im Martin-Gropius-Bau gezählt waren. Das Land Berlin wollte das Grundstück von der Eigentümerin Post AG erwerben.

Die Post hätte sich ursprünglich mit Tauschgrundstücken zufrieden gegeben, aber aus dem Plan wurde nichts. Letztlich soll ein Kaufpreis von 55 Millionen Mark im Gespräch gewesen sein. Die Kulturverwaltung erklärte 1997, man sei willens, das Postfuhramt zu erwerben, es gebe nur noch "gewisse Hindernisse".

Nach dem Bau des Postfuhramtes mitten in der Spandauer Vorstadt in der Nähe der Museumsinsel, standen hier bis zu 250 Pferde. Errichtet wurde der Komplex mit dem Haupttelegrafenamt zwischen 1875 und 1881 nach Plänen der Architekten Carl Schwatlo und Wilhelm Tuckermann. C. v. L.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false