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Mit Spannweite.

© DAVIDS/Hohlfeld

Berlin: Premiere mit Tragweite

Die neue Rathausbrücke ist eröffnet – nach drei Jahren Bauzeit und vier Millionen Euro Mehrkosten.

Das Nikolaiviertel hatte seine schönsten Grazien zur Zeremonie geschickt, damit sie sich herzlich dafür bedanken, dass die Rathausbrücke nun endlich für den Verkehr freigegeben worden ist. „Wir haben sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet“, sagt ein Händler, der die Grazien mitorganisiert hatte, die eifrig Werbematerial verteilten. „Nun sind wir wieder mit der Stadt verbunden und die Leute müssen keine langen Umwege mehr machen, um vom Schlossplatz zu uns zu kommen“.

Tatsächlich ist die Freigabe der neuen Brückenkonstruktion im Herzen Berlins eine kleine Feier wert, denn über drei Jahre dauerten Abriss und Neubau. Senator Michael Müller (SPD) verwies auf diverse Schwierigkeiten: eine neben der Brücke verlaufende Fernwärmeleitung musste stillgelegt werden, der Fahrgastschiffsverkehr behinderte die Bauarbeiten, eine 130-Kilo-Bombe wurde entschärft, die Baukosten stiegen von sechs auf zehn Millionen Euro, Bau- und Lieferfirmen gingen pleite, die Natursteine für die Brückenverkleidung waren aus falschem Material gefertigt.

Und schließlich gab es auch noch grundsätzliche Einwände gegen das „banale Betonband“, wie Freunde architektonischer Historie den Entwurf des Architekten Walter A. Noebel bezeichneten. Er hatte 1999 in einem Gestaltungswettbewerb gesiegt. Seine moderne Stahlbetonkonstruktion ohne Flusspfeiler sieht auch kein Denkmalpodest vor, das heißt, der Große Kurfürst, der einst auf der Brücke stand, bleibt vorerst da, wo er jetzt ist, vor dem Schloss Charlottenburg. Die Brücke, unter der demnächst noch ein alter mittlerer Brückenpfeiler abgerissen wird, soll „für viele Jahrzehnte eine touristische Lebensader in der Mitte unserer Stadt sein“, hofft Senator Müller, während sein Chef, der Regierende Bürgermeister, als Nachbar rasch vom östlichen ins westliche Spreeufer kommt.

Am Standort der Rathausbrücke befand sich einst die „Lange Brücke“, 1307 als Spreeübergang aus Holz gebaut. Sie verband Berlin und Cölln und wurde Ende des 17. Jahrhunderts durch eine steinerne Brücke, die Kurfürstenbrücke, ersetzt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Brücke komplett erneuert und bekam statt fünf nur mehr drei Bögen. 1945 wurde die Brücke teilweise zerstört, 1953 kam eine Dauerbehelfsbrücke, die nun Rathausbrücke hieß.

Die jetzige metallene Tragkonstruktion ist 41 Meter lang, 18 Meter breit und etwa 500 Tonnen schwer. Ohne störende Pfeiler können nun die Schiffe die Spree passieren. Auf dem oberen Teil begrenzen vier Pfeiler aus Striegauer Granit die Brücke, an deren Spitze vier Pylonen leuchten. An der Seite laden graue Granitbänke, feingeschliffen und poliert, zum Ausruhen ein, und die Streben am Geländer sollen einen Bezug zur Natur haben: Sie wirken wie kleine dünne Baumstämme, die abgedrehten Stäbe aus Metallguss sollen an einstige Knüppeldammbrücken erinnern, auf denen unsere Vorfahren die Spree überquert hatten. „Sie nehmen dem Geländer das Schwerfällige“, erläutert Architekt Hans Kollhoff. Für ihn sind Brücken „magische Orte“, die neue sei „verkehrsoptimiert“, ihr Bau eine komplexe Herausforderung. Nach Kollhoff erzeugt die einfache Konstruktion des Bauwerks eine „spannungsvolle Untersicht“, die man erst beim Spaziergang auf dem Uferweg bis zum Dom wahrnimmt. Kollhoff wünschte gestern dem Bauwerk ein langes Leben – das ihrem im Juli verstorbenen Architekten leider nicht vergönnt war. Lothar Heinke

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