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Berlin: Projekt Neuwahlen: Günter und sein Beifahrer aus dem Osten

Das ist typisch Berlin: Aus einem unbedeutenden Nichts von 2,2 Prozent wird ein Sieben-Prozent-Gegner. 2,2 - das ist die Realität, das Ergebnis der letzten Abgeordnetenhaus-Wahlen im Oktober 1999.

Von Sabine Beikler

Das ist typisch Berlin: Aus einem unbedeutenden Nichts von 2,2 Prozent wird ein Sieben-Prozent-Gegner. 2,2 - das ist die Realität, das Ergebnis der letzten Abgeordnetenhaus-Wahlen im Oktober 1999. 7,7 ist Theorie, das Resultat der jüngsten Emnid-Umfrage. Doch damit nicht genug. Wie ein Phoenix aus der Asche steigt Günter Rexrodt empor und sieht sich als "Retter Berlins". Die Rede ist von der Berliner FDP und ihrem Landesvorsitzenden. Nach der Mutation der Bundes-FDP von einer Klientelpartei zur "Volkspartei" mit der optimistischen Zielmarge "18 Prozent" springt auch der kleine Berliner Ableger auf einen Zug, der zurzeit mit dem Ziel "Volksbegehren zur Auflösung des Abgeordnetenhauses und für Neuwahlen" durch die Stadt tuckert. Und weil Oppositionsparteien eben nur mehr Wähler bekommen, wenn sie sich der Unzufriedenen annehmen, winken gleich drei bunte Parteien mit der Fahne, auf der steht: "Bürger, wehrt Euch!" Das sind die Grünen, die PDS und die außerparlamentarische Opposition, eben jene FDP.

Rot-grüne oder rot-rot-grüne Koalitionsgeplänkel sind in der Stadt ja schon bekannt. Aber: Bahnt sich jetzt sogar noch eine verwegenere Kombination, eine gelb-rote, aus FDP und PDS an? Eine Gemengelage aus Wirtschaftsliberalismus, gepaart mit sozialer Gerechtigkeit und einem Schuss sozialistischer Ideologie?

Zum Thema Online Spezial: Finanzkrise in Berlin Ted: Sind Neuwahlen fällig? Das Treffen von Günter Rexrodt mit Gregor Gysi am Donnerstag im Bundestags-Restaurant auf der Plenarebene verfolgten Dutzende von Kameras. Mit am Tisch übrigens auch FDP-Chef Guido Westerwelle. "Na, das kann ich wohl nicht mehr abstreiten", sagt PDS-Politiker Gysi. Bei der Einleitung des Volksbegehrens gehe es lediglich um eine "konzertierte Aktion" von Parteien. Die FDP würde das allein "nie schaffen". Außerdem "verpflichtet ein gemeinsamer Wille zu nichts", spricht Gysi weise.

Günter Rexrodt betont die "politische Distanz" zur PDS. Die Idee zum Volksbegehren hätten "Gysi und ich" vor einigen Tagen schon sondiert. Man habe am Donnerstag sowieso noch mal telefonieren wollen. Und als er mit Parteifreund Westerwelle aus der Fraktion kam und ins Restaurant ging, saß zufällig Gregor Gysi zwei Tische weiter. "Dann haben wir uns einfach mal zusammen an einen Tisch gesetzt." Und was sagt Parteichef Westerwelle zum angestrebten Volksbegehren? "Der findet das gut."

Gregor Gysi und Günter Rexrodt kennen sich seit Anfang der neunziger Jahre. Rexrodt über Gysi: "Er ist witzig, intelligent und ein pluralistisch orientierter Mann." Gysi über Rexrodt: "Er ist introvertiert, schwer zu ergründen, hat eine hohe Kompetenz und ist ein Mann mit Manieren. Dagegen habe ich ja nichts." Beide respektieren sich. Rexrodt würde sogar "die Person Gysi als Regierenden Bürgermeister unterstützen, aber keinen anderen PDS-Kandidaten". Gregor Gysi sagt über eine mögliche Kandidatur, er könne sich "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" noch nicht festlegen. Definitiv ausschließen will sie Gysi aber auch nicht. Alternativen nach den Neuwahlen hat er bereits mehrfach geäußert. Gysis "beste Lösung": ein Personenbündnis. "Leute mit Vernunft und Verantwortung" sollten für einen Zeitraum von drei bis vier Jahren die Regierung bilden und die Stadt aus der Krise führen. Gysis "zweitbeste Lösung": eine andere Parteienkonstellation, also "rot-grün oder rot-rot-grün". Und Gysis "schlechteste Lösung": die Wiederholung der Großen Koalition - "aber ohne Diepgen".

Günter Rexrodt spricht lieber von einer pragmatischen Alternative: Der Bürgermeister wird "im Allgemeinen" von der stärksten Partei gestellt. Über Konstellationen schweigt sich der FDP-Landesvorsitzende aus. Dass seine Partei bei Neuwahlen die Fünf-Prozent-Hürde aber überspringen würde, ist für ihn keine Frage. Bei den letzten Wahlen habe man der CDU Leihstimmen abgegeben. "Landowsky hat gegen uns Wind gemacht, um das bürgerliche Lager im Sinne der CDU zu stärken", ärgert sich Rexrodt noch heute. Das werde aber nun "sicher nicht mehr passieren".

PDS und FDP nehmen sich gegenseitig als "ernst zu nehmende Opposition" wahr. Zwar sagt Rexrodt, viele Leute würden die PDS aus "Protest- und Nostalgiegründen" wählen, doch erkennt er an, dass die Sozialisten in Ostdeutschland eine bedeutende politische Kraft sind. Gysi sagt über die FDP, dass sie dem bürgerlichen Lager angehöre. Zwar gebe es inhaltliche Berührungen, doch beim Thema Wirtschaftsliberalismus sei man grundverschieden. Allerdings müsse er als Sozialist eines bekennen: "Wenn es um eine marode Bank geht, sind wir beide für die Teil-Privatisierung."

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