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Mit Musik gegen den Abriss: Der Protest an der East Side Gallery in Berlin geht weiter.

© dpa

Gegen Spree-Wohnhochhaus in Berlin: Protest an der East Side Gallery geht weiter

Ob die Bresche in der East Side Gallery reicht, um beide Bauvorhaben zu erschließen, ist völlig ungewiss. Am Sonntag geht der Protest gegen das geplante 60-Meter-Wohnhaus weiter - mit Musik.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein roter Kran dreht sich majestätisch. Da passiert etwas, hinter dem hölzernen Bauzaun an der East Side Gallery. Dieselmotoren brummen, ein Trennschleifer kreischt, die Baugrube für das Wohnhochhaus am Ufer der Spree ist ausgehoben, Armierungseisen schauen keck aus dem Kellerloch, ein Teil der Verschalung ist schon angebracht. Der Bauherr Maik Uwe Hinkel macht ernst mit seinen Plänen für einen silbern glänzenden, 60 Meter hohen Turm mit Wohnungen für den gehobenen Bedarf.

Gegen dieses Projekt wird am Sonntag musiziert. Mit dem „East Side Gallery Swing“ wollen die Freunde eines unverbauten Spreeufers ab 14 Uhr kulturvoll protestieren. „We will swing it away!“ Unter diesem Motto werden bis in den späten Abend viele Bands und DJs gegen die Bagger und Kräne anspielen. Den Investor kratzt das nicht, er hat Baurecht und nutzt es konsequent, denn das schicke Wohnhaus soll spätestens im Sommer 2015 fertig sein. Gleich daneben wird in absehbarer Zeit ein 120 Meter langer Bauriegel aus dem Boden wachsen.

Wie man hört, mit einem Hotel, einem Restaurant und 90 Wohnungen. Ein israelischer Investor plant und finanziert das Projekt. Allerdings gibt es Probleme! Weniger für die Bauherren als für den rot-schwarzen Senat. Denn ob es gelingt, den vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit forcierten Kompromiss durchzusetzen, beide Grundstücke zwischen Mauer und Fluss durch eine einzige, nur 10,80 Meter breite Öffnung in der East Side Gallery gemeinsam zu erschließen, ist ungewiss. Ja, es mehren sich die Zweifel.

Kunst am Bau. Hinter der Mauer gehen die Arbeiten für die Gebäude weiter. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Platz für deren Zufahrt reicht.

© Kai-Uwe Heinrich

Um die Sache voranzutreiben, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beide Investoren zu einem Gespräch am 17. Juli eingeladen. Jürgen Scheunemann, Sprecher von Living Bauhaus, der Firma Hinkels, verbreitet keinen großen Optimismus. „Ob alles machbar sein wird, ist offen.“ Wie kann es gelingen, den zu- und abfahrenden Verkehr für beide Großimmobilien durch das enge Mauerloch zu manövrieren? Ist genug Stellfläche da für Notfallfahrzeuge und Feuerwehr, und zwar an den rechtlich vorgeschriebenen Plätzen? „Beides wird schwierig“, sagt Scheunemann. Auch die Zufahrt zur Tiefgarage dicht am Nachbargebäude vorbei bereitet Kopfzerbrechen.

Noch offen: Reicht das schmale Loch an der East Side Gallery?

Ein Verkehrsgutachten ist fast fertig, eine Brandschutzexpertise wird schon amtlich geprüft. Ein 3000 Seiten starkes Statikgutachten befasst sich mit dem Problem, das Hochhaus mit einem zweiten Eingang in Richtung Nachbargrundstück zu versehen. Unter anderem müssen zusätzliche Stützpfeiler eingebaut werden, die Berechnungen sind fast abgeschlossen. Dadurch steigen die Baukosten, die der Investor aus eigener Tasche zahlen muss. „Vom Senat oder vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kriegen wir nichts“, sagt Scheunemann. Wann fällt die Entscheidung, ob das schmale Loch in der East Side Gallery reicht, um beide Grundstücke mit den Hausnummern 60 bis 63 an die Mühlenstraße anzuschließen? „Das kann ich jetzt noch nicht sagen“, antwortet Scheunemann.

Denn es gibt auch rechtliche Hürden, die zwar überwindbar sind, aber das kostet wiederum Zeit. Sollte der angestrebte Kompromiss mit nur einer Maueröffnung doch funktionieren, muss Investor Hinkel beim Bezirksamt eine Änderung der Baugenehmigung beantragen. Mit dem geltenden Baurecht kann er nur das Fundament setzen und bis zum ersten Obergeschoss bauen. Dies wird momentan energisch vorangetrieben. Die notwendigen Umbauten aber bedürfen einer gesonderten Genehmigung. „Mit dem Antrag rechnen wir in den nächsten drei Wochen und werden ihn aller Voraussicht nach ablehnen“, kündigt der scheidende Bezirksbürgermeister Franz Schulz an.

Investor wollte als "Ausgleich" zwei Geschosse mehr bauen

So wie der Antrag auf Baugenehmigung des israelischen Investors bereits vor Wochen vom Bezirksamt abgelehnt wurde. Unter anderem weil der Bauherr – als Kompensation für zusätzliche Kosten – auf seinen Hotel- und Wohnriegel zwei Geschosse draufsatteln will. Mit einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 15. Mai wurde der hinhaltende Widerstand in Friedrichshain-Kreuzberg manifestiert. „Das Bezirksamt wird beauftragt, auch weiterhin keine Genehmigungen oder Befreiungen zu erteilen“, heißt es dort. Der Schwarze Peter wurde damit der Stadtentwicklungsverwaltung zugeschoben. Sie ist letztinstanzliche Widerspruchsbehörde und wird, davon geht Bürgermeister Schulz aus, die ablehnenden Bescheide des widerspenstigen Bezirks aufheben.

„Die werden auf alle Wünsche beider Investoren eingehen“, sagt der Grünen-Politiker voraus. Die Verwaltung des zuständigen Senators Michael Müller (SPD) bestätigte auf Anfrage nicht einmal den Termin für das Treffen mit den Bauherren. Die Touristen, die fotografierend und munter schwatzend an der East Side Gallery vorbeispazieren, bekommen von alledem nichts mit. An den weit geöffneten Stahltüren zur Baustelle gehen die meisten achtlos vorbei, die herausgesägten fünf Mauersegmente stehen abseits, aber gut erhalten auf einer Wiese vor der Spree. Es sieht eher so aus, als ginge die größte Gefahr für die East Side Gallery derzeit von den Gästen Berlins aus, die auf den weltberühmten, restaurierten Gemälden ihre Namen, Liebesschwüre und guten Wünsche verewigen. Für weitere Schriftzeichen ist kaum noch Platz – und nicht alles sollte man durchgehen lassen: „Daniel, I hate you“. Ach, nö!

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