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Berlin: Qualitätsdaten sind eine Momentaufnahme

AOK-Chef Müller über Transparenz in der Klinik Qualität ist bei Budget- Gesprächen noch nicht entscheidend. Rolf D. Müller, Berliner AOK-Chef

Im August 2005 mussten die Krankenhäuser erstmals Qualitätsberichte veröffentlichen. Die Idee dahinter: mehr Transparenz. Doch die teils mehr als hundert Seiten umfassenden Berichte verstecken eher Informationen statt sie offen zu legen. Zudem enthalten sie vor allem Angaben zur Zahl der Behandlungen und nur in Ausnahmefällen Angaben zu deren Qualität. Sind die Qualitätsberichte geeignet, dem Patienten mehr Durchblick zu verschaffen?

Sie sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Berichte enthalten zumindest Hinweise auf die Ergebnisse, weil sie Angaben zur Zahl der Behandlungen machen. Diese Angaben haben manche Krankenkassen – so auch die AOK exklusiv für ihre Versicherten – mit weiteren Angaben angereichert und im Internet veröffentlicht. So enthält der AOK-Krankenhausnavigator neben den Pflichtangaben aus den Qualitätsberichten auch Angaben zur Verweildauer der AOK-Patienten in der jeweiligen Klinik, zu deren Durchschnitts-Alter oder zur relativen Häufigkeit der Eingriffe – also ob ein Krankenhaus die Behandlung vergleichsweise häufig oder eher selten vornimmt. Die Qualitätsberichte sind ein Einstieg, der nun zu einem umfassenden Instrument für mehr Informationen für Patienten und Ärzte weiterentwickelt werden muss.

Solche Qualitätsberichte gibt es derzeit nur für das Krankenhaus. Ist das genug?

Nein. Es muss Transparenz in die gesamte gesundheitliche Versorgungskette, also in den ambulanten, stationären und den Rehabilitationsbereich. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen veröffentlichen bereits Qualitätsberichte für den ambulanten Bereich …

… aber da geht es mehr um Fragen der Qualifikation der niedergelassenen Ärzte oder der Hygiene in der Praxis, weniger um konkrete Qualitätsdaten, wie sie die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) für den Krankenhausbereich auswertet.

Ja, das ist doch schon eine Grundlage. Nun muss dieses System noch mit dem BQS-Qualitätssicherungsverfahren in Einklang gebracht werden.

Bei den Debatten um die Veröffentlichung der BQS-Daten fürchten manche Kliniken, die Krankenkassen könnten diese Daten heranziehen, um bei den Budgetverhandlungen die Kosten zu drücken. Ist die Angst gerechtfertigt?

Die Qualität spielt gegenwärtig für die Höhe der Entgelte für Klinikbehandlungen nicht die entscheidende Rolle. Wenn Krankenkassen Sonderverträge mit den Anbietern zum Beispiel im Rahmen einer Integrierten Versorgung schließen, gehören Qualitätsaspekte natürlich dazu. Noch einmal: Die Qualitätssicherung im Rahmen der BQS ist ein lernendes und sich fortentwickelndes System, um die Behandlungsqualität in den Kliniken zu verbessern. Aber ganz sicher ist das kein Disziplinierungsinstrument.

Können die Krankenkassen überhaupt ihre Versicherten in bestimmte Krankenhäuser lenken?

Über Verträge der Integrierten Versorgung, die die Krankenkassen für bestimmte Behandlungen mit ambulanten, stationären und Reha-Anbietern abschließen, ist das durchaus möglich. Das funktioniert dann auch über Anreize für den Versicherten in Form von klaren Vorteilen, zum Beispiel verkürzten Wartezeiten oder das Angebot von Schmerzsprechstunden, denn die freie Arztwahl wird dadurch natürlich nicht eingeschränkt.

Laut dem Sozialgesetzbuch dürfen Krankenkassen ihren Versicherten gute Krankenhäuser empfehlen. Doch die Kassen sind dabei sehr zurückhaltend. Warum?

Weil gegenwärtig Erkenntnisse über die Behandlungsqualität in der Regel nur auf Basis der BQS-Daten vorhanden sind. Diese sind sicher ein Hinweis, um die Qualität valide bewerten zu können. Aber sie sind auch nur eine Momentaufnahme. Was ist, wenn eine Klinik auf der Grundlage der Daten als besonders gut empfohlen wird, aber der Chefarzt mittlerweile gewechselt hat? Um die Qualität eines Hauses langfristig bewerten zu können, müsste man schauen, wie häufig ein Eingriff pro Jahr vorgenommen wird, welche Qualitätsergebnisse dabei erreicht werden und man müsste die einweisenden Ärzte befragen, welche Kliniken sie für ihre Patienten empfehlen.

Also genau das, was Tagesspiegel und Gesundheitsstadt in ihrem Klinikvergleich gemacht haben. 44 von 47 Berliner Kliniken, die dem BQS-Verfahren unterliegen, machen mit. Die Charité ist noch nicht dabei.

Es ist gut, dass sich so viele Berliner Krankenhäuser am Klinikvergleich beteiligen. Es wäre besser, es hätten alle mitgemacht, um so zu zeigen, dass sie sich nicht der Transparenz entziehen. Jetzt besteht die Gefahr, dass die Entwicklung über die nicht beteiligten Häuser hinweggeht.

Rolf D. Müller (62) ist Vorsitzender des Vorstandes der AOK Berlin und Vorsitzender des Lenkungsausschusses Qualitätssicherung Berlin.

Das Interview führte Ingo Bach.

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