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Berlin: Rätselhafte Risse im Ephraim-Palais

Berlins schönstes Haus muss mit Gerüst gestützt werden. Balkone des barocken Bauwerks sackten ab

Architekten und Statiker stehen vor einem Rätsel: Berlins schönstes Haus, das barocke Ephraim-Palais im Nikolaiviertel, hat plötzlich tiefe Risse an der Fassade und im rückwärtigen Mauerwerk. Niemand weiß zu sagen, warum sie sich gebildet haben. Das erst vor 20 Jahren nach historischen Plänen aufgebaute und 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins im Beisein des damaligen Staats- und Parteichefs Erich Honecker eröffnete Palais wird als Dependance des Märkischen Museums für Ausstellungen genutzt. Das Haus an der Leipziger Straße ist nach dem jüdischen Münzpächter und Heereslieferanten Friedrichs des Großen, Veitel Heine Ephraim, benannt und wurde 1766 fertig gestellt. 1935 wurde das Haus wegen des Umbaus des Mühlendamms abgetragen, die Steine allerdings aufbewahrt.

Als vor kurzem Putzbrocken von der Fassade fielen, zum Glück ohne jemanden zu treffen, schrillten die Alarmglocken bei den Denkmalspflegern. Eine Inspektion ergab, dass die beiden linken Säulenpaare, die den Balkon der ersten Etage stützen, um ein paar Zentimeter abgesackt sind. Die Folgen sind noch nicht abzusehen, zumindest das Tragesystem des Balkons ist jedoch gefährdet. Ob die ständigen Erschütterungen durch den Verkehr auf der Leipziger Straße für die Schäden verantwortlich sind oder auch der schwammige Baugrund unmittelbar neben der Spree eine Rolle spielt, muss jetzt geklärt werden.

Um Gefahr für Besucher und das Bauwerk abzuwenden, wurden nun die Außenfassade und die mit vergoldeten Gittern geschmückten Balkone „ausgesteift“, also durch eine Holzkonstruktion gesichert, wie Wolfgang Meier vom Berliner Architekturbüro AGP Meier-Zeumer erläutert. „Es handelt sich um eine Notmaßnahme, um das Haus weiter offen zu halten. Natürlich kann man es in diesem Zustand nicht so lassen.“ Meier bemängelt schlampig ausgeführte Bauarbeiten, wohl durch den damaligen Zeitdruck bedingt. Mit der Senatsbauverwaltung werde zurzeit eine Strategie entwickelt, um die toskanischen Säulen, die den mit Puttengruppen geschmückten Balkon stützen, wieder ins Lot zu bringen und weitere Setzungen zu unterbinden. Leider seien die Baupläne über den Wiederaufbau nicht aussagekräftig. Es zeige sich, dass sie mit dem, was tatsächlich gebaut wurde, nicht übereinstimmen. Das mache die jetzt anstehende Sanierung nicht einfacher, so Architekt Meier. Für die Reparaturkosten wird die Landesregierung aufkommen, denn die Stiftung Stadtmuseum ist nur Nutzerin von Berlins schönster Ecke, die so unvermutet zum Pflegefall wurde.

Helmut Caspar

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