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Berlin: Raucherlungen durchlüften

Zigaretten schädigen das Atmungsorgan. Damit die Patienten durchatmen können, besteht das Reha-Programm aus viel Bewegung

Bei welchen Lungenerkrankungen ist

eine Rehabilitation nötig?

Am häufigsten machen Betroffene wegen einer Raucherlunge (Mediziner nennen sie chronisch obstruktive Lungenkrankheit – COPD) in einem fortgeschrittenen Stadium eine Reha – vor allem dann, wenn die Atemnot spürbar wird. Asthmatiker, Geheilte nach schweren Lungenentzündungen und frisch operierte Patienten können sich ebenfalls einer stationären Reha unterziehen. Doch das geschehe zu selten, sagen zumindest Rehaärzte. Der Nutzen einer solchen Nachbehandlung werde von Patienten und Krankenkassen unterschätzt. „Wir beobachten eine ganz große Schere zwischen der Anzahl an Erkrankten und den Patienten, die eine Kur beantragen“, sagt Susanne Pelzer, Leitende Oberärztin an der Rehabilitationsklinik in Sommerfeld. Die Fallzahlen geben ihr recht: Während allein in 45 Berliner Kliniken jährlich rund 7500 COPD-Patienten versorgt werden, landen in den beiden auf Lungenpatienten spezialisierten Rehaeinrichtungen nicht mal 170 von ihnen zur Nachbehandlung (siehe Kasten links).

Was ist eine Raucherlunge?

Raucher zerstören ihre Lunge mit jedem einzelnen Zigarettenzug. Inhalieren Betroffene den blauen Dunst, führt dies in einem von zwei Fällen zu einer Raucherlunge. Denn die häufigste Folge des Qualms sind chronische Entzündungen der Atemwege (chronische Bronchitis) und defekte Lungenbläschen (Lungenemphysem). Durch die Giftstoffe wird die Ventilfunktion der für den Stoffwechsel so wichtigen Hohlräume zerstört. Dadurch können Betroffene verbrauchte Luft nicht mehr vollständig ausatmen. Langsam baut sich durch die kontinuierliche Atmung ein gefährlicher Überdruck in den Austauschzellen auf. Im schlimmsten Fall reißen die aufgeblähten Lungenbläschen ein – ein medizinischer Notfall.

Warum merken Patienten erst spät,

dass sie eine Raucherlunge haben?

„Der Mensch ist von Natur aus ein Fluchttier. Eine Lunge kann in kürzester Zeit das Vierzigfache an Leistung erbringen, um etwa vor großen Gefahren plötzlich wegzurennen“, sagt Torsten Bauer, Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn am Helios-Klinikum Emil von Behring. Menschen merkten daher über Jahre nicht, dass sich ihre Lungenkapazität verringere. Denn im Alltag ohne viel Bewegung werde die Lunge maximal um das Zehnfache gefordert. Zwei Drittel der Lunge blieben oft ungenutzt. Erst in späteren Stadien fehlte Betroffenen bereits bei kleineren Anstrengungen – wie etwa Treppensteigen – die Luft. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Kurzatmigkeit und anhaltender Atemnot. Mediziner nennen diesen Zustand auch Stenoseatmung. „Das fühlt sich an, als wenn man durch einen Strohhalm atmen muss“, sagt der Lungenarzt Bauer.

Wie gefährlich ist das Rauchen?

Jeder zweite Raucher stirbt an seiner Nikotinsucht, sei es aufgrund von Herzinfarkt, COPD oder Lungenkrebs. Bundesweit leiden über fünf Millionen Deutsche an COPD. Meist sind die Betroffenen älter als 45 Jahre. Aufgrund der verminderten Lungenleistung werden andere Organe nicht genügend mit Sauerstoff versorgt. Herz-Kreislaufschwäche und Nierenversagen können die Folge sein. Weltweit stufen Experten der Weltgesundheitsorganisation COPD als eine der tödlichsten Erkrankungen ein. Derzeit steht sie nach Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenentzündung an vierter Stelle im offiziellen Ranking. Bis 2030 soll diese Lungenkrankheit sogar auf den dritten Platz vorrutschen.

Warum brauchen COPD-Patienten eine

Rehabilitationsbehandlung?

„Es gibt keine Möglichkeit, eine Raucherlunge zu heilen“, sagt Pneumologe Torsten Bauer. Die Chancen wieder gut durchatmen zu können, hängen von der persönlichen Einstellung zum Leben und vom Stadium der COPD ab. Es gibt insgesamt vier Stadien: von einer leichten bis hin zu einer schweren COPD. Obwohl eine Heilung nicht möglich ist, können regelmäßiger Lungensport und Lungenrehas den Betroffenen helfen, die anhaltende Atemnot zu verringern und so wieder besser durchzuatmen. Absolvieren Betroffene ein Lungentraining, verschlechtere sich ihr Zustand deutlich langsamer.

Was passiert bei einer Lungenreha?

Um individuelle Therapiepläne zu erstellen und deren Erfolg nach der Reha zu bestimmen, untersuchen Ärzte am ersten Tag jeden Patienten. Der wichtigste Test: Patienten gehen sechs Minuten auf dem Laufband, während Pneumologen die dabei zurückgelegte Entfernung bestimmen und die Blutgaswerte analysieren. Zudem berechnen Ärzte die Muskelmasse des Körpers über die sogenannte Dexa-Messung. Das ist ein Verfahren, in dem zunächst der Knochen- und der Fettanteil bestimmt werden. Abgezogen vom Körpergewicht bleibt dann die Muskelmasse übrig. Danach legen die Mediziner fest, in welchem Stadium der Krankheit sich die Patienten befinden, wie viel Bewegung notwendig und ob eine spezielle Ernährung erforderlich ist. „Es gibt nur so viel Programm, wie es die Patienten vertragen“, sagt Reha-Oberärztin Pelzer. Im Schnitt können es vier bis zehn Übungseinheiten pro Tag sein.

Damit Patienten wieder besser durchatmen können, brauchen sie viel Bewegung, im Sportraum der Rehaklinik, im Wald und im Wasser. „Je besser die Muskeln trainiert sind, desto weniger Sauerstoff brauchen sie“, sagt Sana-Rehaärztin Pelzer. Ziel einer Lungenreha sollte immer die Stabilisierung der Lungenfunktion sein, um so die Lebensbedingungen im Alltag zu verbessern. Vor allem Ausdauersport ist wichtig, um die Muskeln langsam wieder fit zu machen. „Die Betroffenen sollten aber nur so viel machen, wie sie wirklich vertragen.“ Nordic Walking und Muskelaufbau des Oberkörpers im Fitnessraum gehören zu den wichtigsten Lungensportarten. Wassersport ist im fortgeschrittenen COPD-Stadium dagegen nicht unbedingt die beste Trainingsart. Taucht ein Mensch bis zu seinem Kopf ins Wasser, verbraucht das allein schon 75 Watt. Für einen COPD-Patienten ist das so anstrengend wie zügiges Treppensteigen. Matthias Lehmphul

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