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Reaktionen auf Bezirksbeschluss: Grillverbot im Tiergarten entzweit die Stadt

Mit der Entscheidung, das Grillen im Tiergarten zu verbieten, erntet der Bezirk heftigen Gegenwind. Nicht nur die Senatsverwaltung, auch der Türkische Bund und die Tourismuswerber kritisieren das Vorhaben.

Das vom Bezirksamt Mitte verhängte Grillverbot im Tiergarten hat stadtweit scharfe Kritik ausgelöst. 26 Bezirksverordnete von SPD und CDU hatten das ab 2012 geltende Verbot durchgesetzt – mit einer Mehrheit von einer Stimme. Als Fehler bewertet die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung diese Entscheidung: „Das Problem wird dadurch bestenfalls in die Nachbarbezirke verschoben“, sagt Sprecher Mathias Gille. Gegrillt werde dann im Park am Gleisdreieck oder im Tempelhofer Park auf dem früheren Flugfeld. Auch die Rechnung des Bezirks, wonach die Müllbeseitigung nach sommerlichen Grillpartys 300 000 Euro jährlich koste, teilt der Senat nicht: „Die Durchsetzung des Verbots kostet ebenfalls Geld“, sagt Gille.

Die Grünen im Bezirk Mitte hatten noch versucht, das Verbot mit Hinweis auf eine Studie der Technischen Universität zu stoppen. Danach könnte der Bezirk mit der Aufstellung größerer Müllcontainer und durch mehr Aufklärung die Folgekosten der Grillfreuden begrenzen. Auch der Vorstoß der Piraten, durch eine geheime Abstimmung mögliche Abweichler der Zählgemeinschaft gegen das Verbot zu mobilisieren, scheiterte.

Die Tourismus-Gesellschaft „Visit Berlin“ spricht sich ebenfalls gegen das Verbot aus: „Mit einem generellen Grillverbot bekommt man das Problem nicht in den Griff“, so Sprecher Christian Tänzler. Die Menschen verschiedener Kulturen, die sich im Tiergarten rund um einen Grill versammeln, stünden für das Bild der liberalen, grünen, weltoffenen Stadt. Die damit einhergehenden Probleme müssten gelöst werden, ohne ein „Stück Berliner Lebenskultur“ zu zerstören.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) kritisiert das Votum als „populistische Entscheidung“. „Vor allem Familien werden darunter leiden, denn sie müssen nun auf andere, weiter entfernte Parks ausweichen“, sagt Hilmi Kaya Turan, Vorstandsvorsitzender des TBB. Der Bezirk zerstöre mit dem Grillverbot im Tiergarten eine kulturelle Begegnungsstätte mitten in Berlin. Hier hätten sich Menschen unterschiedlichster Herkunft getroffen. „Dass sich dabei Müll anhäuft, ist ganz normal, doch statt eines Verbots hätte man die Menschen zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit dem Park sensibilisieren müssen“, so Turan.

Die BVV in Mitte hatte das seit langem immer wieder diskutierte Grillverbot in der Nacht zu Freitag nach geheimer Abstimmung beschlossen. Es wurde dem Vernehmen nach auf Betreiben der CDU durchgesetzt. Dass die SPD, die das Grillen im Tiergarten lange geduldet hatte, letztlich mitzog, soll ihr Zugeständnis bei der Bildung einer Zählgemeinschaft von CDU und SPD im Bezirk Mitte gewesen sein. Durch dieses Bündnis verhinderten die beiden Fraktionen die Wahl einer Grünen zur Bezirksbürgermeisterin in Mitte. Bezirkspolitiker von SPD und CDU begründen das Verbot auch mit der Geldnot des Bezirks Mitte. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Heinz Kiske, sagt: „Wir müssen jedes Jahr Zuschüsse für Jugendclubs und Müttercafés streichen und schleppen diesen 300 000 Euro schweren Brocken trotzdem durch.“ Martina Matischok von der SPD-Fraktion in Mitte sagt: „Wir sind zerrissen.“ Dass die Sozialdemokraten zugunsten des Verbots stimmten, bedeute nicht, dass dieses für immer gelten werde. Allerdings sei die Möglichkeit zum Grillen bisher zu teuer erkauft worden: mit „verbrannter Erde, Rauchschwaden, abgebrochenen Ästen und Müllbergen“.

Schärfer formuliert es Cornelia Seibeld, Innen- und Rechtsexpertin der CDU im Abgeordnetenhaus: „Das private Hobby einiger Weniger belastet die Mehrheit der Berliner mit unverhältnismäßig hohen Kosten“. Weder gutes Zureden des Ordnungsamtes noch Sanktionen hätten geholfen. Zudem seien die „über dem vermüllten Tiergarten aufsteigenden Rauchschwaden“ keineswegs eine gute Visitenkarte für Berlin.

Nach einem langen Sommerwochenende häufen sich auf der 25 Hektar großen Grillfläche bis zu zehn Tonnen Müll an. Aufs ganze Jahr gerechnet sind es bis zu 300 Tonnen. Die Bezirksverwaltung hat für die Sammlung dieser Abfallberge zehn große Sammelcontainer und fünf Aschebehälter aufgestellt. „Dennoch landen 20 Prozent des Mülls auf dem Rasen, der dann von bis zu 15 Mitarbeitern täglich per Hand aufgesammelt werden muss“, sagt Hans-Gottfried Walter vom Grünflächenamt Mitte. Verpackungsmüll, ausgediente Campingstühle und sogar ganze Schafsköpfe finden Walter und seine Kollegen im Unrat. Sie sind deshalb froh über das Verbot – denn nun dürften ruhigere Zeiten auf sie zukommen.

Auch die Flora leidet unter dem Ansturm der Grillfreunde im Sommer. Ausgekipptes Grillgut zerstört Wurzeln und Rasenflächen, Schäden an Baumrinde durch die Befestigungen von Hängematten sind zu beklagen. Manche Grillmeister reißen zum Anfeuern auch Äste von Bäumen ab. Die jährlichen Kosten für die Beseitigung dieser Schäden betragen laut Grünflächenamt bis zu 50 000 Euro. „Die Folgeschäden für die Natur sind allerdings noch viel größer“, so Walter.

Seit den 70er Jahren ist das Grillen im Großen Tiergarten gestattet. Die Grillsaison im Tiergarten beginnt in der Regel im April und dauert meist bis September, reicht aber je nach Wetter auch bis in den Oktober hinein.

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