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Berlin: Rechtsextremismus: Neonazi bereitete Bombenanschlag vor

Neonazis in der Region Berlin-Brandenburg bereiten weiterhin Anschläge vor. Bei einer Durchsuchung in Königs Wusterhausen fand die Polizei Material, das offenkundig zum Bau einer Rohrbombe vorgesehen war.

Von Frank Jansen

Neonazis in der Region Berlin-Brandenburg bereiten weiterhin Anschläge vor. Bei einer Durchsuchung in Königs Wusterhausen fand die Polizei Material, das offenkundig zum Bau einer Rohrbombe vorgesehen war. Die Einzelteile wurden in der Wohnung des Rechtsextremisten Michael M. (Name geändert) entdeckt, der bereits im Mai dieses Jahres ein Präzisionsgewehr kaufen wollte. Michael M. zählt zum harten Kern der "National-Revolutionären Zellen", die 1999 den bewaffneten Kampf angekündigt haben.

Die Durchsuchung fand etwa zeitgleich mit dem Prozess gegen den rechten Bombenbastler Nick G. statt. Dieser hatte schon vorher im Laufe der polizeilichen Vernehmungen Kontakte zu Michael M. zugegeben. Das Berliner Landgericht verurteilte Nick G. letzten Dienstag, wie berichtet, wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und anderer Delikte zu zwei Jahren Haft. In seinem Keller in Treptow hatte die Polizei im Juni eine zündfähige Rohrbombe und Bauteile für einen weiteren Sprengsatz entdeckt. Diese Bomben wollten Neonazis aus Königs Wusterhausen für Anschläge auf Linke einsetzen.

Als Nick G. die Herausgabe verweigerte, wurde er von Michael M. und dessen Gruppe massiv unter Druck gesetzt, blieb aber stur. Daraufhin erhielten die Sicherheitsbehörden einen Hinweis und nahmen Nick G. fest. Der Tipp kam vermutlich vom Neonazi Carsten S., den der "Spiegel" im Juli als V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes enttarnte. Um S. vor der Rache von Michael M. und anderer "Kameraden" zu schützen, halten ihn die Behörden versteckt.

Als Nick G. und Carsten S. nicht mehr zur Verfügung standen, hat Michael M. offenbar selbst den Bau einer Rohrbombe vorbereitet. Dies werten Sicherheitsexperten als Anzeichen für die fortdauernde Existenz der "National-Revolutionären Zellen", die den Aufbau terroristischer Strukturen betreiben. Der harte Kern der Zellen besteht aus Berliner Neonazis und militanten Rechtsextremisten in der Region Königs Wusterhausen. Was die Gruppe vorhat, erklärte sie in einem "Interview aus dem Untergrund", das im Mai 1999 in der Szene-Publikation "Hamburger Sturm" erschien: "Man darf einfach nicht vergessen, daß wir im Krieg sind mit diesem System, und da gehen nun mal einige Bullen oder sonstige Feinde drauf".

Wie gefährlich die Zellen sind, zeigen nicht nur die Funde von Rohrbombe und entsprechenden Bauteilen. Im September 1999 wollten zwei Mitglieder der Zellen einen Treffpunkt von Linken in Prenzlauer Berg in Brand setzen. Das Duo brach den Anschlag in letzter Minute ab - man fühlte sich beobachtet. Später konzentrierten die Zellen ihre Anschlagspläne auf die Region Königs Wusterhausen. Dort haben mutmaßlich linke Brandstifter mehrere Pkw von Neonazis angezündet, darunter das Auto der Mutter von M.

Die Rechten wollen Rache. So versuchte Michael M., einem Mitglieder der Berliner "Vandalen" das Präzisionsgewehr abzukaufen. Den Deal konnte die Polizei vereiteln, nachdem sie einen Tipp erhalten hatte - möglicherweise auch von V-Mann Carsten S.

Der harte Kern der "National-Revolutionären Zellen" unterhält Kontakte zu rechtsterroristischen Gruppen im Ausland. Neonazis aus Königs Wusterhausen waren über Silvester 1999 zu Besuch bei der schwedischen Gruppe "Nationalsocialistisk Front" (NSF). NSF-Mitglieder erschossen im letzten Jahr zwei Polizisten. Ob Michael M. an der Schweden-Reise teilgenommen hat, ist unklar.

Kontakte gibt es offenbar auch zur britischen Terrorgruppe "Combat 18", die von den Zellen als Vorbild genannt werden. Combat 18 ist liiert mit dem auch in Deutschland agierenden Skinhead-Netzwerk "Blood & Honour". Auf der Website von "Blood & Honour Scandinavia" ruft eine Führungsfigur, wie berichtet, zum bewaffneten Kampf auf.

Schönbohm sorglos (Kommentar)

Die Gefahr rechtsterroristischer Aktionen ist nicht gebannt. Auch wenn seit September 1999 drei Anschlagsversuche misslangen und eine Führungsfigur als Spitzel aufflog, basteln Neonazis in der Region Berlin-Brandenburg weiter Bomben. Der jüngste Fund von Material zum Bombenbau zeigt: Die Fanatiker machen weiter. Polizei, Verfassungsschutz und Justiz dürfen sich nicht die geringste Nachlässigkeit leisten, wollen sie weitere und noch schlimmere Anschläge als den auf das Grab von Heinz Galinski verhindern. Dennoch verkündet Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, die Sorge vor rechtem Terrorismus sei unbegründet. Die Äußerung erstaunt noch mehr, wenn man sich die jüngsten Pannen des Potsdamer Polizeipräsidiums vergegenwärtigt: Ein Polizist, der telefonisch mit rechtem Terror gedroht haben soll, hat nach einer ersten Durchsuchung seines Hauses genügend Zeit, mögliche Beweismittel verschwinden zu lassen. Das werden Neonazis registriert haben. Wie auch Schönbohms Worte.

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