zum Hauptinhalt

Berlin: Reden über das Tabu-Thema

Sonntag ist „Welt-Tag der Suizidprävention

Eine Abschieds-SMS an die Mutter und die Freundin war sein letztes Lebenszeichen. Danach warf er sich vor einen Zug. Stefan (Name geändert) berichtet, wie es ihm dabei ging, als sein Kumpel sich vor zwei Monaten das Leben nahm. Über seine Wut, über sein Unverständnis und die quälende Frage: Warum? „Er war immer ein lebensfroher Mensch, es gab keine Probleme, zumindest nichts, was irgendwie sichtbar gewesen wäre.“

Oft wisse man nicht, was der Grund gewesen sei, sagt Gerd Storchmann von Neuhland, einem Verein, der sich für Krisenbewältigung und Suizidprävention einsetzt. „Menschen, die augenscheinlich ein normales Leben führen, können plötzlich Selbsttötungsgedanken haben.“ Oft gebe es eben noch die andere Seite, die nicht zur Sprache komme.

Im Schulzentrum Edith Stein sollte das am Donnerstagmorgen jedoch anders sein. Mit Lesung, Workshops und Diskussion näherten sich die rund 60 Studierenden und Lehrer des Katholischen Schulzentrums Edith Stein dem Tabu-Thema Suizid. Mit Prominenten wie Schauspielerin Nina Gnädig und Musikerin Vanessa Petruo sprachen die jungen Erwachsenen über ihre eigenen Erfahrungen. Und davon gab es erschreckend viele. Die Initiative „Freunde fürs Leben“ tourte im Rahmen einer nationalen Aufklärungskampagne in der vergangenen Woche durch Berliner Schulen, Theater und Kinos.

Anlass ist der „Welt-Tag der Suizidprävention“ am 10. September. An diesem Tag endet die Aktionswoche mit einem Lichtermeer am Breitscheidplatz: Um 14 Uhr soll mit der Aufstellung von elftausend Kerzen begonnen werden. So viele Menschen sterben jährlich durch Suizid in Deutschland. Für 15 Uhr ist ein ökumenischer Gottesdienst in der Gedächtniskirche vorgesehen, an dem auch Vertreter der muslimischen und jüdischen Gemeinden teilnehmen.

Aufklärung ist geboten, denn durch Selbsttötung sterben mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle, Drogen und AIDS zusammen. Allein 417 Berliner haben sich 2005 nach Angaben des Statistischen Landesamts umgebracht. Die Dunkelziffer ist hoch.

„Eine mögliche Antwort auf das Warum heißt Depressionen“, sagt Felician Wellnitz vom Berliner Bündnis gegen Depression. Sie seien die häufigste Ursache. Wellnitz ist am Donnerstag einer der beiden Workshopleiter im Katholischen Schulzentrum Edith Stein. Mit Schreibübungen versucht er die Studierenden für den Umgang mit suizidgefährdeten Menschen zu sensibilisieren. „Es ist wichtig, sich seiner eigenen Einstellung zu dem Thema bewusst zu werden, um besser auf andere zu reagieren.“ Warnzeichen wie Rückzug, ernste Verstimmungen und Selbsttötungsgedanken sollte man ernst nehmen und auch ansprechen.

Dabei gibt es jedoch eine Grenze: die der eigenen Machtlosigkeit gegenüber dem Wunsch des anderen, zu sterben. „Dann sollte man sich professionelle Hilfe holen.“ Diese bekommt man beispielsweise in Einrichtungen wie Neuhland oder dem Berliner Krisendienst.

Eine der Studierenden meldet sich zu Wort: „Ich war selbst mal ganz kurz davor, mich umzubringen und eigentlich sind es nur Kleinigkeiten wie Einsamkeit, Traurigkeit, die einen dazu bringen“, sagt sie mit erstickter Stimme. „Es ist nur ein kleiner Schritt.“ burk/sast

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false