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Berlin: Rennpappe in Rente

Trabi ohne Safari: Im DDR-Museum gibt es nun einen Simulator. Man fährt durch das alte Marzahn.

Man muss sich überhaupt nicht mehr in die Schlange dieser singenden und an jeder Kreuzung heulenden Rennpappen mit dem qualmenden Auspuff einreihen: Die Trabi-Safari findet nun auch im Saale statt. Seit gestern ist der im DDR-Museum am Ufer der Spree angedockte Trabant mit der Nummer YFD7–13 voller Technik und damit quicklebendig: Der Ossi staunt, der Wessi wundert sich. Man steigt ein, startet den Motor, leise, leise, fromme Weise brummelt Trabant P 601 aus den achtziger Jahren vor sich hin, und schon geht die virtuelle Spritztour los. Man gibt Gas, fährt, bremst, lenkt, donnert krachend auf einen der Millionen Trabi-Brüder am Straßenerand, schon bleibt er stehen, der Kleene mit der großen Gusche. Kein Polizist kommt um die Ecke, nicht mal die Feuerwehr.

Vielleicht ist das Ganze eine Huldigung des zumeist museumsreifen liebstes Kindes unserer Brüder und Schwestern, die schon mal unser Oma ihr klein Häuschen verkauft hatten, um in den Genuss dieses heulsamen Fahrgefühls zu kommen. 1958 lief der erste P 50 vom Band, das SED-Politbüro hatte damals beschlossen, einen Ost-Käfer auf die Straße zu bringen, um die spätere Losung „Überholen ohne Einzuholen“ in der Praxis zu erfahren. Der Wagen war so beliebt, dass man ziemlich lange auf ihn warten musste. „Für viele war der Trabi ein Lebensbegleiter mit einem Kofferraum voller Gefühle und Erinnerungen“, steht da für alle, die den harten Sound der Wackelkiste auf der Straßenpiste nicht erleben durften, an der Windschutzscheibe unseres Museums-Modells. Nun also müssen sich die Besucher der Mini-DDR nicht mehr die Nase an der Windschutzscheibe platt drücken, nein, sie können sehen, dass das 26-PS-Spielzeug mit 24 Litern Sprit vom Minol-Pirol sieben Liter auf hundert Kilomter verbraucht. Allerdings musste man immer einen Benzinhahn auf- und zudrehen, was man leicht vergessen konnte. Dann stand man da. Oder man donnerte – wie eine Fahrerin von einst berichtet – mit 120 Kilometern an all den schönen West-Autos vorbei, die sich nicht so recht trauten. Unser 30-jähriges, von Mitarbeitern des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts aufgemotztes Museumsstück hat als Requisit ein Abschleppseil im Kofferraum. Das wird aber bei diesem fahrsimulatorischen Computerspiel nicht gebraucht.

Man staunt über eine auf die Windschutzscheibe projizierte dreidimensionale menschenleere „verdichtete Marzahner Plattenbausituation“. So bekomme der Besucher einen „unmittelbaren Eindruck vom Alltagsleben in der DDR“. Naja. Wohl nicht ganz. Lothar Heinke

DDR-Museum, Karl-Liebknecht- Straße 1, Mitte. So.–Fr. 10– 20 Uhr, Sa. 10–22 Uhr. Eintritt 6 Euro, ermäßigt 4 Euro.

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