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Berlin: "Revolutionäre Zellen": Verteidiger wollen Prozess aussetzen

Die Verteidiger hatten in dem Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der "Revolutionären Zellen" (RZ) für den gestrigen 23. Verhandlungstag eigentlich eine wichtige Entscheidung der Richter erwartet.

Die Verteidiger hatten in dem Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der "Revolutionären Zellen" (RZ) für den gestrigen 23. Verhandlungstag eigentlich eine wichtige Entscheidung der Richter erwartet. Doch das Berliner Kammergericht teilte nur kurz mit: "Wir bescheiden den Aussetzungsantrag am kommenden Donnerstag".

Die Bundesanwälte bekamen von den Verteidigern harsche Kritik zu hören. Sie würden versuchen, Verteidiger durch "Polemik, Diffamierung und Bedrohung" an der Ausübung ihrer Tätigkeit zu hindern, erklärten zwei Anwältinnen. Hintergrund der scharfen Worte sind kürzlich bekannt gewordene 955 Tonbänder mit Telefonüberwachungen des Kronzeugen Tarek Mousli ab September 1999 und 23 Ordner mit Protokollen.

Auf die Existenz dieses Materials waren Verteidiger im Sommer bei der Zeugenvernehmung des 42-jährigen Karatelehrers Mousli gestoßen. Daraufhin wurde seine Befragung abgebrochen, und Rechtsanwälte warfen der Bundesanwaltschaft ein "rechtswidriges Unterschlagen von Beweismaterial" vor. Die Bundesanwälte konterten: Das Bundeskriminalamt habe die Unterlagen als unerheblich eingestuft.

Die Rechtsanwälte aber wollen die Bänder mit eigenen Ohren abhören. Weil es um die Glaubwürdigkeit von Mousli geht, der Ende 1999 die Kronzeugenregelung in Anspruch nahm. Im Gegenzug gestand er seine eigene terroristische Vergangenheit und belastete die jetzt angeklagten vier Männer und eine Frau. Ihnen werden vier Anschläge auf Mitarbeiter von Behörden und auf öffentliche Gebäude zwischen 1986 und 1991 zur Last gelegt. Mousli kam im Dezember mit einer Bewährungsstrafe davon, die anderen mutmaßlichen Terroristen sitzen fast alle seit knapp zwei Jahren in Untersuchungshaft.

Der Ex-Terrorist Mousli sei ein Lügner, meinen die Anwälte und glauben, dass sie durch "Lauschangriff" dafür Belege finden. Doch sie brauchen nach ihrer Einschätzung mehr als vier Monate, allein um die Bänder mit rund 720 Stunden reiner Abhörzeit zu prüfen. Sie fordern deshalb die Aussetzung des Prozesses.

Kerstin Gehrke

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