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Die Koalitionsverhandlungen bei Rot-Rot-Grün laufen.

© dpa

Rot-Rot-Grün in Berlin: Koalition nimmt Abstand von Null-Toleranz-Politik

Die Grünen haben ihre Zustimmung zum Einsatz von Tasern und Bodycams gegeben. Die Null-Toleranz-Politik bei Drogendelikten rückt in den Hintergrund.

Von Sabine Beikler

Lange hatte Rot-Rot-Grün über die künftige Ausrichtung der Innenpolitik und Bürgerrechte verhandelt. Zum Schluss kamen am Mittwoch die Sprecher Frank Zimmermann (SPD), Niklas Schrader (Linke) und Benedikt Lux (Grüne) mit zufriedenen Gesichtern aus den Gesprächen. Eine „komplette Einigung“ habe es in allen Punkten gegeben, sagte Zimmermann.

Und die heißt: Die künftige Koalition will in Berlin „mehr Sicherheit“ schaffen. Die polizeiliche Präsenz wird im öffentlichen Raum erhöht, die Ermittlungstätigkeit des LKA gestärkt, der Verfassungsschutz bleibt bestehen. In der Drogenpolitik schafft Rot-Rot-Grün Null-Toleranz-Zonen für den Besitz von Cannabis ab. Und künftig sollen Volksbegehren vereinfacht werden.

Die Videoüberwachung am Alexanderplatz wird es nicht geben. Die SPD befürwortete diese, Grüne und Linke lehnten mehr Kontrollen ab. Stattdessen soll es dort eine Kombi-Wache mit Beamten der Berliner Polizei, Bundespolizei und Mitarbeitern des Ordnungsamtes geben. Dafür muss jedoch noch mit der Bundespolizei gesprochen werden.

„Wir wollen dort eine erkennbar dauerhafte Präsenz der Polizei“, sagte Zimmermann. Auch an weiteren Plätzen denkt Rot-Rot-Grün über Wachen nach. Namen wurden am Mittwoch nicht genannt. Generell will Rot-Rot-Grün die Polizeiabschnitte stärken, um die „Präsenz in den Kiezen“ zu erhöhen. Auch sollen verstärkt Kontaktbereichsbeamte eingesetzt werden.

SPD verzichtet auf Videoüberwachung

Als „Deal“ dafür, dass die SPD nicht auf der Videoüberwachung bestanden hat, gaben Grüne und Linke ihr Einverständnis für ein Modellprojekt mit Bodycams. Das sind Kameras am Körper der Beamten, die Angreifer aufzeichnen. Der Probelauf mit Taser, also Elektroschockwaffen, wird in den Bezirken Neukölln und Mitte fortgesetzt.

Rot-Rot-Grün will auch die Ermittlungstätigkeit des Landeskriminalamtes gegen organisierte Kriminalität oder Cyberkriminalität stärken. Es sollen „verstärkt Spezialisten“ eingesetzt werden. Genaueres wurde noch nicht gesagt. Am rot-schwarzen Projekt einer gemeinsamen Leitstelle von Feuerwehr und Polizei hält auch Rot-Rot-Grün fest. Mit dem Zentrum für Kritische Infrastrukturen soll ein Konzept für Katastrophenschutzleitstellen erarbeitet werden. Das Land will „gemeinsame Einsatztrainings“ mit Brandenburg organisieren.

Die Polizei soll bessere Arbeitsbedingungen und Besoldung erhalten. Gegen Ende der Legislaturperiode sollen mindestens 1600 Polizisten neu eingestellt werden. Das steht jedoch unter Finanzierungsvorbehalt. Derzeit arbeiten im Vollzugsdienst 16 671 Beamte.

Der Verfassungsschutz bleibt bestehen, allerdings wird der Einsatz von V-Leuten stärker reglementiert. In begründeten Ausnahmefällen entscheidet der Polizeipräsident über den Einsatz von V-Leuten bei der Polizei, der Innen-Staatssekretär über den Einsatz von V-Leuten beim Verfassungsschutz. Weiterhin ist der Innensenator auskunftspflichtig gegenüber dem Parlament.

Liberalerer Drogenpolitik

Rot-Rot-Grün hat sich auf eine liberale Drogenpolitik verständigt. Die Null-Toleranz-Zonen für Cannabis-Besitz werden in der Stadt abgeschafft. „Die Koalition wird ein Konzept für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene erarbeiten und sich für dessen gesetzliche Absicherung einsetzen. Die Möglichkeiten für Behandlungen mit Cannabis-Produkten insbesondere für Schmerzpatienten sind auszuweiten“, steht in dem Textentwurf für die Passage im Koalitionsvertrag.

Ein solches Modellprojekt muss beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt werden. Eine Genehmigung dürfte jedoch an der Abgabe von Cannabis an Schmerzpatienten gekoppelt sein. Darüber hinaus will die Koalition Werbung für Tabak und Alkohol auf kommunalen Werbeflächen verbieten. Rot-Rot-Grün will das Nichtraucherschutzgesetz überarbeiten, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen.

Rot-Rot-Grün will außerdem bei einem Volksbegehren die darauf aufbauenden Volksentscheide wenn möglich mit Wahlterminen zusammenlegen.

Außerdem soll der Senat eine Frist für die Kostenschätzung gesetzt bekommen. Ein zeitlicher Rahmen wurde am Mittwoch nicht genannt. Und nach der ersten Stufe eines Volksbegehrens sollen auch inhaltliche Nachbesserungen möglich sein. Der Senat kann künftig auch nicht mehr die politische Verantwortung für ein laufendes Bürgerbegehren an sich ziehen.

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