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Berlin: "Sarrazin hat das Zeug zum Robin Hood"

Klaus-Peter Schmidt-Deguelle ist Berater von Finanzminister Hans Eichel. Der 51-Jährige hat das öffentliche Bild vom "Spar-Hans" geprägt und gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher der Bundesregierung.

Klaus-Peter Schmidt-Deguelle ist Berater von Finanzminister Hans Eichel. Der 51-Jährige hat das öffentliche Bild vom "Spar-Hans" geprägt und gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher der Bundesregierung. Außerdem arbeitet er als freier Medienberater, unter anderem für die Redaktion der Talkshow "Sabine Christiansen". Schmidt-Deguelle ist Mitglied der SPD. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (rechts) rät er: "Täglich Klartext reden."

Sie haben Bundesfinanzminister Hans Eichel und sein Sparpaket erfolgreich in der Öffentlichkeit vermarktet. Wie würden Sie das radikale Sparvorhaben des Berliner Senats den Bürgern schmackhaft machen ?

Bisher haben alle Parteien versäumt, den Ernst der Lage wirklich so darzustellen, wie er ist. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Sarrazin Erfolg hat. Er hat die Lage als "abartig" bezeichnet. Diese Wortwahl hätte ich ihm auch empfohlen.

Wieso?

Man kann die Lage Berlins nicht drastisch genug darstellen. In weiten Teilen der Bevölkerung gibt es noch kein Bewusstsein, dass sich wirklich etwas ändern muss. Daran muss Sarrazin arbeiten, indem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit die ganze Dimension des Elends der Stadt und ihrer Finanzen darstellt.

Aber Freunde macht er sich so nicht.

Das muss konfrontativ passieren. Anders bekommt man das nicht in die Köpfe hinein. Aber Sarrazin muss auch jedes Mal mitkommunizieren, woran es liegt. Zum Beispiel an einem völlig überhöhten Personalbesatz. Das heißt, er darf auch keine Rücksicht nehmen auf Leute, die nicht begriffen haben, dass es auch an ihre Klientel geht.

Zum Beispiel?

Nehmen wir die Verdi-Vorsitzende Frau Stumpenhusen. Die kann sich Sarrazin ruhig noch stärker als Gegner vornehmen. Die Funktionäre der Gewerkschaften müssen irgendwann begreifen, dass sie sich ihr eigenen Grab schaufeln, wenn sie nur Besitzstandswahrung betreiben. Es kann nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen. Es müssen Tabus fallen in Berlin. Die Chance hat Sarrazin als jemand, der nicht im Berliner Beziehungsgeflecht verwoben ist, in dem man immer auf irgend jemanden Rücksicht nehmen muss.

Das wird keine Begeisterung auslösen. Aber ohne Unterstützer wird auch Sarrazin nicht weit kommen ...

Es darf auch nicht sein erstes Ziel sein, beliebt zu sein. Das war auch bei Hans Eichel nicht so, dass er seinen Kurs im Hinblick auf Beliebtheit eingeschlagen hat. Im Gegenteil. Der Senat muss nachweisen, dass die Stadt über ihre Verhältnisse lebt.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel das Uni-Klinikum. Das ist zwar miserabel kommuniziert worden, weil es natürlich gute Gründe gibt, warum man Benjamin Franklin erhalten sollte. Trotzdem ist doch klar, das Berlin bei der Zahl der Universitätsbetten über dem Durchschnitt der anderen Bundesländer liegt. Selbst im reichen Geberland Hessen haben wir schon vor sechs Jahren die Unikliniken von Gießen und Marburg zusammengelegt. Dass eine Lösung für Benjamin Franklin aber auch so aussehen könnte, dass die Top-Bereiche erhalten bleiben, hätte stärker vermittelt werden müssen. Es ist verständlich, dass man im ersten Schritt mit dem Hammer zuschlägt. Aber dann muss sofort die nächste Kommunikation folgen, in der man sagt, warum welche Schnitte notwendig sind, um im Vergleich mit den anderen Ländern auf ein besseres Niveau zu kommen.

Wie kann der Senat angesichts des Widerstands gegen seine Klinik-Päne denn jetzt noch Sympathie für die radikale Sparkur gewinnen?

Es muss das Bewusstsein geweckt werden, dass die Situation nur den einen Weg zulässt. Die Horrorbotschaft muss tagtäglich wiederholt werden. Der Senat muss Bilder finden dafür, warum es nicht weitergeht. Das heißt auch, dass man gleichzeitig deutlich macht, was trotz der Sparnotwendigkeit erhalten bleiben soll. So sollte der Senat deutlicher machen, dass es seine politische Schwerpunktsetzung ist, in das vergleichsweise schlechte Berliner Schulsystem noch mehr Geld stecken zu wollen, um im Standortwettbewerb bei der Bildung bestehen zu können.

Über Hans Eichel haben Sie einmal gesagt, ihm würde man getrost seinen Spargroschen anvertrauen. Wie kann Herr Sarrazin so ein Image bekommen?

Da Sarrazin im Moment noch sehr unbekannt ist, hat er die Chance, ein passendes Image zu entwickeln. Es muss nicht das gleiche sein, wie Hans Eichel es hat. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man ihm zutraut, dass er ohne Rücksicht auf Klientelen Gerechtigkeit beim Sparen praktiziert.

Welches Image sollte er anstreben?

Er hat angesichts der Lage Berlins die Chance, sich zum Robin Hood zu machen, der die Gerechtigkeit in der Stadt protegiert und ihr zum Durchbruch verhilft. Er muss den Berliner Filz und die Wucherungen angreifen, damit genug Geld für die Zukunft da ist.

Hätte der Finanzsenator denn das Zeug zum Robin Hood?

Das, was man ihm nachsagt, prädestiniert ihn für die Rolle: Dickköpfigkeit, Sturheit, notfalls geht er mit dem Kopf durch die Wand. Wenn er dazu noch die notwendige Flexibilität an den Tag legt, auch mal einen Schritt zurückzugehen, und dann zwei nach vorne, dann könnte er es schaffen. Er muss ja eine ganze Reihe von Leuten vor den Kopf stoßen, die immer sagen: "Ja, wir müssen sparen", aber dann sagen: "Bei uns nicht", wenn es um ihren Bereich geht. Das kann Sarrazin aber nicht alleine packen. Das muss der Senat insgesamt, mit dem Regierenden Bürgermeister vorneweg. Oder Wowereit muss zumindest absolut hinter ihm stehen, so wie der Kanzler hinter Eichel steht.

Glauben Sie, dass Sarrazin genug Rückhalt hat, um die Krise zu meistern?

Wann, wenn nicht jetzt? Immerhin hat er die PDS mit im Boot. Die ist als einzige Partei in der Lage, auch den Ostteil der Stadt auf einen solchen Kurs zu verpflichten. Nur so kann man die Aufgabe schultern.

Wie kann der Senat für seine Radikalkur werben? Mit einem sexy Sparschwein?

Sparen an sich ist leider kein sexy Produkt. Die Frage ist immer: Wofür spare ich? Das ist für Berlin schwieriger als auf Bundesebene, weil das Sparen hier viel konkreter ist. Man muss deutlich machen: Es ist Fastenzeit, bevor der Frühling kommt.

Trotzdem wird es doch weiterhin sofort Proteste der Betroffenen geben, sobald ein neues Sparobjekt bekannt wird.

Das muss der Senat aushalten. Auch wenn das Rote Rathaus zwei Tage nicht betretbar ist, weil davor demonstriert wird. Man kann die Stadt auch aus einem anderen Senatsgebäude regieren.

Lassen sich unpopuläre Maßnahmen wie Schwimmbadschließungen und Personalkürzungen überhaupt so verkaufen, dass die Bevölkerung sie unterstützt?

Es muss deutlich gemacht werden, dass wir nur eine Zukunft haben, wenn wir den Gürtel enger schnallen. Wenn ich vor der Wahl stehe: Will ich eine ausreichende Zahl von Lehrern in ausreichend ausgestatteten Schulen haben, oder will ich ein Schwimmbad in der Nachbarschaft, dann ist die Antwort doch klar: Ich will die Schule. Solche Alternativen müssen noch stärker vermittelt werden. Die Zukunft liegt in den Schulen und Hochschulen. Die Investition in die Köpfe ist wichtiger als die Investition in die Muskeln.

Angesichts des Milliardenlochs und der immensen Zinslast haben viele den Eindruck, Sparen mache keinen Sinn. Wie kann der Senat dem begegnen?

Indem man ein Schreckensszenario malt: Was passiert, wenn wir nicht in einigen Bereichen radikal sparen, um andere Bereiche weiter finanzieren zu können? Dann gibt es irgendwann keine funktionierende U-Bahn mehr, keine Busse mehr, die Schulen verlottern vollends, es gibt keine Ausbildungsplätze mehr.

Aber die Milliardenlast verschwindet dadurch ja nicht.

Trotzdem nützt es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Irgend etwas muss ja getan werden. Dafür ist die Regierung gewählt worden.

Ist Sarrazins Schockkur, Zahlen möglichst schonungslos und düster zu berechnen, der richtige Weg, um den Bürgern die Notwendigkeit des Sparens zu vermitteln?

Ja. Er muss es so machen und das Szenario für den schlimmsten denkbaren Fall berechnen. Nicht alle Risiken zu benennen, heißt die Leute zu betrügen und ihnen etwas vorzugaukeln. Wenn es denn besser kommt als erwartet, kann man umso schneller wieder in Zukunftsprojekte investieren.

Kultursenator Flierl hat kürzlich gesagt: Wir sind zu arm, um uns das Sparen leisten zu können.

Das ist hübsch gesagt, aber verhängnisvoll, wenn man den Spruch zu Ende denkt. Das würde ja bedeuten, dass Berlin zu einer Dritte-Welt-Metropole werden würde. Das kann doch keine Alternative sein.

Welchen Effekt haben die Sparappelle Sarrazins, wenn gleichzeitig andere Senatoren zu erkennen geben, den radikalen Kurs nicht mittragen zu wollen?

Das kann nicht gut gehen. Die Lage ist nicht mehr so, dass man je nach Ressort allen alles versprechen kann. Das haben wir auch auf der Bundesebene gesehen. Anfangs waren die Minister überhaupt nicht bereit, zu sparen. Dank der Unterstützung des Bundeskanzlers hat Eichel im so genannten Beichtstuhlverfahren alle soweit runtergehandelt, dass das Sparpaket von 30 Milliarden geschnürt werden konnte. Scharping war zehnmal da, bis er es akzeptiert hatte. Notfalls muss auch Sarrazin so lange nerven, bis alle Senatskollegen mitspielen.

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