zum Hauptinhalt

Berlin: „Schändlich, mickrig, gerupft“

Vor 75 Jahren starb der U-Bahn-Architekt Alfred Grenander. Seine ersten Stationen ernteten viel Kritik

Was für ein Anblick! Hohn und Spott gab es für die ersten Bauwerke der 1902 eröffneten U-Bahn. „Barbarischer, ekliger, gottverlassener, blöder, bedauernswerter, mickriger, schändlicher, gerupfter, auf den Schwanz getretener sieht nichts in der Welt aus“, schrieb Theaterkritiker Alfred Kerr. Es war ein schwieriger Start für Alfred Frederik Elias Grenander, den schwedischen Architekten. Doch im Laufe der Jahre entwickelte sich seine Arbeit zu einem hoch gelobten Vorbild. Grenander entwarf bis in die 30er Jahre fast alle neuen Bahnhöfe. Der U-Bahn-Architekt starb heute vor 75 Jahren.

Der 1863 in Skövde geborene Grenander hatte in Berlin Architektur studiert. Er lernte bei Johann Eduard Jacobsthal, der als leitender Architekt beim Bau der 1882 eröffneten Stadtbahn beteiligt war. Anschließend begann Grenander im Baubüro von Paul Wallot und musste hier auch dessen Entwürfe für den Reichstag ins Reine zeichnen, bevor er sich Berlins Bahnhöfen annahm. Nach der Kritik an seinen ersten Werken ließ er die schmucklosen Stahlstützen der Viaduktbahn mit Elementen im Jugendstil ausstatten.

Grenander gelang es sogar, Kaiser Wilhelm II. zu begeistern. Bei der Verlängerung der Strecke bis zum Theodor-Heuss-Platz hatte Grenander für den Neubau Kacheln aus Cadinen in Westpreußen verwendet, wo der Kaiser 1903 eine Werkstätte hatte einrichten lassen. „Sehr hübsch“, soll Seine Majestät gesagt haben. „Es soll auf den anderen Bahnhöfen aber noch schöner werden.“

Die Bahnhöfe, die der Architekt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vorwiegend für die heutigen Linien U 5, U 6 und U 8 entwarf, hätten dem Kaiser sicher nicht gefallen. Grenander war zu einem Vertreter der Sachlichkeit geworden. Einfach und zweckmäßig waren seine Stationen nun – unterschieden sich nur durch eine besondere Kennfarbe für Fliesen, Stützen oder Schilderrahmen.

Bis vor wenigen Jahren ging die BVG mit Grenanders Erbe äußerst nachlässig um. Originalfliesen wurden abgeschlagen und sogar durch postmoderne Motive ersetzt – wie bei der Station Kurfürstenstraße. Inzwischen versucht die BVG zumindest bei den wichtigsten Bauten, beschädigte Originalfliesen nachbrennen zu lassen – etwa bei der Sanierung des Bahnhofs Alexanderplatz.

Auf der U 5 ist die BVG wieder zum alten Farbkonzept zurückgekehrt. Hier waren auf den meisten Stationen die Originalfliesen zu DDR-Zeiten verschwunden. Bei der jüngsten Sanierung versah die BVG die Bahnhöfe wieder mit einer Kennfarbe, aber einer anderen als bei Grenander. Statt Fliesen hängen – vandalismusresistentere – farbige Emailleplatten an den Wänden. Knapp 80 von Grenanders Bahnhöfen stehen inzwischen unter Denkmalschutz.

Das Berliner Technikmuseum bereitet derzeit zusammen mit Schweden eine Grenander-Ausstellung vor. Sie soll Mitte November eröffnet werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false