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Ersatzverkehr zwischen Neukölln und Treptower Park, Pendelverkehr zwischen Treptower Park und Ostkreuz: Wieder einmal gibt es Verzögerungen bei der Bahn. Ursache ist ein Brand.

© dpa

Update

Tarifstreit: Scharfe Kritik an angekündigten Warnstreiks bei der S-Bahn

Politiker und Vertreter der Verkehrsverbände reagierten ablehnend auf die Ankündigung der Lokführer, auch die Berliner S-Bahn bestreiken zu wollen: Der Tarifstreit träfe Berlin zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Die angekündigten Warnstreiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Berliner S-Bahn sind auf deutliche Ablehnung gestoßen. Politiker und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) kritisierten am Freitag die Ankündigung von GDL-Chef Claus Weselsky, bei den für Mitte Februar geplanten bundesweiten Warnstreiks auch Berlin einzubeziehen. Hintergrund ist der Tarifstreit der GDL mit der Deutschen Bahn (DB) und mehreren Privatbahnen.

VBB-Chef Hans-Werner Franz appellierte an die GDL, die S-Bahn von dem Streik auszunehmen. „Die Fahrgäste im Verbund wurden während der vergangenen zwei Jahre dermaßen gebeutelt, dass wir denen nicht zusätzliches Unbill zumuten sollten“, sagte Franz. Das Vertrauen der Kunden sei so in Mitleidenschaft gezogen, dass ein Streik nur „destruktiv“ wäre.

CDU-Fraktions- und Landeschef Frank Henkel warnte davor, den Konflikt auf dem Rücken der Fahrgäste auszutragen. Er wolle nicht bewerten, ob die Forderungen der Gewerkschaft berechtigt seien. Keinesfalls aber dürften die Berliner „Sündenböcke für alles sein“. Henkel appellierte „an das Verantwortungsgefühl“ aller Beteiligten. „Ein neues S-Bahn-Chaos ist das Letzte, was Berlin braucht“, sagte der CDU-Politiker. FDP-Fraktionschef Christoph Meyer nannte die Streikpläne „unverantwortlich“. Die Lokführer-Gewerkschaft nutze die Krisensituation in Berlin bewusst aus. Bislang hätten sich die Bürger mit den S-Bahnern zunehmend solidarisiert, da ihnen klar gewesen sei, „dass Rot-Rot und die Deutsche Bahn Schuld am Chaos tragen“, sagte Meyer. Mit Streiks könnte diese Solidarität jedoch bröckeln. „Die Gewerkschaft muss sich überlegen, ob sie wirklich mit dem Feuer spielen will.“

Tatsächlich gibt es kaum einen schlechteren Zeitpunkt für einen Arbeitskampf als in diesem Winter. Die Berliner S-Bahn kämpft noch immer mit den Wetterverhältnissen. Die Fahrgäste müssen sich noch mindestens bis 27. Februar mit dem stark ausgedünnten "Winterfahrplan", einer Notlösung, zufrieden geben. Seit fast zwei Jahren mutet die S-Bahn ihren Fahrgästen Einschränkungen zu, wie es sie außer im Krieg noch nie gegeben hat. Und jetzt will die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) innerhalb des bundesweiten Tarifkonflikts ihre Mitglieder auch noch zum Streik bei der S-Bahn auffordern. Termine gibt es noch nicht. Der Personalvorstand der Bahn AG, Ulrich Weber, forderte die GDL auf, „zur Vernunft zu kommen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“

Auch S-Bahnchef Peter Buchner hofft, dass es nicht zum Streik kommt und unterstützt die Aufforderung Webers an die GDL, wie er dem Tagesspiegel sagte. Der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Hans-Werner Franz, bittet die GDL, die S-Bahn von Streiks zu verschonen. Die Fahrgäste seien seit zwei Jahren bereits „genug gebeutelt“ worden. Bei bundesweit geplanten Aktionen müsse die Gewerkschaft auch die besondere Situation in Berlin berücksichtigen.

Gespalten reagierte Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Streiks gehörten zum Wesen der Sozialen Marktwirtschaft, sagte er. Der Ausstand dürfe aber nur das letzte Mittel in tariflichen Auseinandersetzungen sein, und Streikaktionen müssten rechtzeitig angekündigt werden. Dies hat der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky auch bereits zugesagt.

Bereits im Herbst 2007 hatte die GDL durch Streiks mehrfach den Betrieb der – damals noch funktionierenden – S-Bahn lahm gelegt; gezielt auch im Berufs- und Schülerverkehr. Warnstreiks, die nur wenige Stunden dauern, sind bereits vor der Urabstimmung unter den Mitgliedern möglich. Und dass sich die Lokführer für den Streik aussprechen werden, wenn sich die Tarifparteien nicht doch noch vorher einigen, gilt als sicher.

Im Frühjahr 2008 hatte die GDL in letzter Minute einen Streik bei der S-Bahn und im Regionalverkehr abgeblasen, weil der Tarifstreit doch noch vorher beendet werden konnte. Auch damals hatte die GDL keine Rücksicht auf die Berliner Situation genommen. Denn vor ihrer Streikankündigung hatten bereits die Mitarbeiter der BVG im Rahmen ihrer Tarifverhandlungen die Arbeit eingestellt.

Dabei hatte die S-Bahn während des Streiks bei der BVG schätzungsweise rund eine halbe Millionen Fahrgäste mehr als sonst täglich an ihr Ziel gebracht. Und beim Streik der S-Bahner 2007 waren schätzungsweise etwa 400.000 Fahrgäste in die Bahnen und Busse der BVG umgestiegen.

Sollten die S-Bahner jetzt erneut streiken, kann die BVG ihr Angebot kaum erweitern, denn Reserven gibt es kaum. Und im Busverkehr ist der Betrieb immer noch eingeschränkt, weil die technischen Probleme an den Fahrzeugen noch nicht abgearbeitet sind. Auch die Bahn kann kaum Zusatzangebote auf die Gleise bringen, um als Ersatz für ausfallende S-Bahnen mehr Regionalzüge fahren zu lassen. Auch hier gibt es bundesweit keine Reserven. Zudem könnte die GDL auch gleichzeitig bei der S-Bahn und im Regionalverkehr streiken.

Würde sie sich auf den Regionalverkehr beschränken, wäre wiederum die S-Bahn nicht in der Lage, zusätzlichen Verkehr anzubieten. (mit dapd)

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