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Berlin: Schäuble gibt Ratschläge für den „Häuserkampf“ in der CDU ZU GAST BEI DEN „HUGENOTTEN“

Der ehemalige Parteichef fordert von der Berliner Union: mehr Mut, neues Personal

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der ehemalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble schaltet sich in die Streitigkeiten in der Berliner Union ein. Der Landesverband solle „mehr Mut“ zeigen, sagte Schäuble beim „Gesprächskreis Hauptstadt-Union“. Auf die Frage, ob die Landes-CDU neues, unbelastetes Führungspersonal brauche, antwortete Schäuble: „Ich rate Ihnen, es wirklich mal zu versuchen.“ Den Parteifreunden in Berlin empfahl er eine engere Zusammenarbeit mit der Bundespartei. Er sei sicher, dass die CDU–Führung dazu bereit wäre, um Konzepte für die Hauptstadt zu entwickeln.

Spitzbübisch lächelnd erinnerte sich der CDU-Spitzenmann an seine Studentenzeit in Freiburg. Anfang der sechziger Jahre, als reformfreudige Jungakademiker in die Partei „einsickerten“ und neue Mehrheiten erkämpften. Um jede Delegiertenstimme sei es gegangen. „Das war ein fürchterlicher Häuserkampf.“ Etwa 150 Zuhörer hingen am Dienstagabend, in der Vorstandsetage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, an Schäubles Lippen. Unternehmer und Ministerialbeamte, Juristen und Mitarbeiter der Fraktion und der Landesvertretungen. Allesamt Mitglieder der Berliner CDU, aber nur wenige in Parteifunktionen, und mit Berufs- und Lebenserfahrung ausgestattet, die außerhalb Berlins gesammelt wurde.

Als CDU-Bundesvorsitzender, so verriet Schäuble, habe er mit der damaligen Generalsekretärin Angela Merkel häufiger darüber geredet, wie man der Berliner CDU helfen könne. „Es gab aber viel Widerstand von Seiten des Landesverbandes.“ Das sei verständlich, fügte der Redner versöhnlich hinzu. Auch die baden-württembergische CDU würde sich von der Bundespartei nicht sagen lassen, „ihr seid ja ein Saftladen“. Personelle Blutzufuhr von außen ist für den langjährigen CDU-Spitzenpolitiker allerdings kein Patentrezept. Gelegentlich sei das nicht schlecht, doch in Berlin stelle sich „die Frage von Innen und Außen“ kaum noch. „Inzwischen sind so viele Menschen in die Hauptstadt gezogen.“

Schäuble selbst war 2001 als „Außenlösung“ im Gespräch. Er wäre auch bereit gewesen, die Berliner CDU als Spitzenkandidat in den Abgeordnetenhauswahlkampf zu führen. Seine Kandidatur scheiterte aber am entschiedenen Widerstand der Parteibasis. Für den CDU-Bundespolitiker ist das ein abgeschlossenes Kapitel. „Ich habe mich damals nicht schlecht behandelt gefühlt.“ Wie der CDU-Landesverband genau organisiert sei, wisse er bis heute nicht. „Und ich will’s auch gar nicht wissen.“

Trotzdem gab Schäuble den Gästen der Diskussionsveranstaltung, die offenbar alle an Erneuerung und Parteireform interessiert sind, gute Tipps mit auf den Weg. „Selbst wenn es nur Hundert sind, die Veränderung wollen, lässt sich was machen.“ Wer sich einigermaßen kontinuierlich engagiere, könne Parteistrukturen beeinflussen. „Schon wenn Sie zu Dritt sind, können sie sogar große Ortsverbände verändern.“ In Baden-Württemberg würden CDU-Kandidaten für Ämter und Mandate aufn Mitgliederversammlungen gewählt. Personalentscheidungen durch die Parteibasis – das sei ein „ganz wichtiger Punkt“.

Bei den Zuhörern kam das gut an. Einige schimpften ordentlich über den eigenen Landesverband. „Ich habe nirgendwo eine so langweilige CDU kennengelernt wie in Berlin“, sagte ein Unternehmer. Fachkompetenz sei unerwünscht, beschwerte sich ein anderer. Es fehle der Berliner Partei an Reformfreude, sagte ein Gast. Also, ein Patentrezept habe er auch nicht, gab Schäuble zu. Er habe sich ohnehin vorgenommen, zur Berliner Politik nur noch wenig zu sagen. Der Schwabe Schäuble kennt seinen Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Der Gastredner: Wolfgang Schäuble (60), geboren in Freiburg, Jurist. Seit 1965 CDU-Mitglied, Bundestagsabgeordneter seit 1972, 1984 bis 1989 Kanzleramtschef und Bundesinnenminister, dann fast zehn Jahre Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1998 bis 2000 CDU-Vorsitzender; jetzt Vize-Fraktionschef der Union.

Der Gastgeber: Der „Gesprächskreis Hauptstadt-Union“ wurde vor knapp einem Jahr von Berliner CDU-Mitgliedern gegründet, die neuen Wind in die Partei bringen wollen. Sie nennen sich auch „Hugenotten“; so wie die protestantischen Zuwanderer aus Frankreich im 18. Jahrhundert. Vor einigen Tagen hat dieser Diskussionszirkel durch ein „Thesenpapier zur Hauptstadtdebatte“ auf sich aufmerksam gemacht, aber den CDU-Landesvorstand verärgert. Solche Papiere gehörten in die Parteigremien, nicht in die Öffentlichkeit, schimpfte Parteichef Christoph Stölzl.

Das Thema: Die Veranstaltung mit Wolfgang Schäuble sollte dazu dienen, „über die Rolle Berlins als Hauptstadt wie auch die Rolle der CDU in der Hauptstadt“ zu reden. Spätestens im Februar wollen die „Hugenotten“ über ihr Thesenpapier diskutieren. za

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