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© Tsp

Scheibenputzer: Angst vor der roten Ampel

An immer mehr Kreuzungen stehen rumänische Scheibenputzer. Wer ablehnt, wird belästigt und bedroht.

Von Sandra Dassler

Berlin - Der kurze Regenschauer verlängert die Mittagspause für den Jungen und die drei Mädchen in der Bushaltestelle am Kottbusser Tor. Sie sind 13, vielleicht 14 Jahre alt, das Mittagessen besteht aus frischen, weichen Sesambrezeln und Milchkaffee. Zwischendurch lassen sie immer mal wieder eine Zigarette kreisen.

Als ihr Chef, ein etwa 20-jähriger junger Mann die Bushaltestelle verlässt, entspannen sie sichtlich: Necken sich, kichern albern, antworten unbefangen – in Englisch oder Deutsch – auf die Fragen: Acht bis zehn Stunden stehen sie täglich auf der Skalitzer Straße, um Fensterscheiben der im Stau stehenden Autos zu putzen. Manchmal nehmen sie am Tag vierzig, manchmal vierhundert Euro ein. Ja, natürlich sind sie aus Rumänien.

Die Rückkehr des Chefs ändert alles. Die Kindergesichter werden hart: „Wollen Sie mir Geld geben“, fragt eines der Mädchen mit langem geblümten Rock. Es klingt plötzlich böse, aggressiv.

Eine Erfahrung, die viele Autofahrer machen – wenn sie die Dienste der Scheibenputzer nicht in Anspruch nehmen wollen. „Ich habe von Anfang an klar signalisiert, dass ich mein Fenster nicht putzen lassen will“, sagt eine Autofahrerin, die öfter schon am Kottbusser Tor belästigt wurde: „Ein Mann hat trotzdem gewischt und sehr fordernd die Hand aufgehalten. Ich hatte Angst und habe das Fenster nicht geöffnet. Da hat er einen Kaugummi unter meinen Scheibenwischer geklebt.“

Gerade am „Kotti“, wo früher Punks die Scheiben putzten oder Laien-Artisten mit ein paar Kunststückchen die Autofahrer im Stau unterhielten, hat sich alles geändert. „Seit zwei, drei Jahren sind die Rumänen hier“, sagt ein Anwohner: „Und sie werden immer aggressiver. Wir beobachten oft, dass sie Wischwasser ins Wageninnere kippen oder gegen Autos treten, wenn die Fahrer nicht zahlen wollen.“ Die Polizei konnte gestern nicht bestätigen, dass sich die Aggressivität oder die Zahl der im Zusammenhang mit dem Scheibenwischen bekannt gewordenen Vorkommnisse erhöht hat. „Im vergangenen Jahr hatten wir am Kottbusser Tor drei entsprechende Anzeigen – eine wegen Nötigung und zwei wegen Sachbeschädigung“, sagte ein Sprecher: „Bis April dieses Jahres lag noch keine vor.“

Dies könnte sich allerdings in den vergangenen Tagen geändert haben. Am „Kotti“ waren, wie berichtet, am Montag zwei BVG-Mitarbeiter von den Fensterputzern geschlagen und leicht verletzt worden. „Das war das erste Mal“, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz: „Es hing damit zusammen, dass wir Busse im Schienenersatzverkehr eingesetzt hatten und die Putzer nicht die Straße räumten.“

Die Autofahrer sind auch weiterhin das Objekt der Begierde für die Putzkolonnen, bei denen es sich laut Polizei „ganz überwiegend um Rumänen“ handelt. Ob darunter auch Angehörige der Roma-Familien sind, die derzeit im Spandauer Asylbewerberheim untergebracht sind, ist nicht bekannt.

Am meisten von den lästigen Scheibenwischern betroffen sind laut Polizei Mitte und Kreuzberg. So kann, wer Pech hat, allein entlang der Skalitzer Straße sowohl an der Wrangelstraße, am Halleschen Tor oder am Kotti belästigt werden. Beliebt bei den Scheibenwischern sind auch die Kreuzung Oberbaumbrücke, die Frankfurter Allee, der Tempelhofer Damm und der Große Stern. Auch in Spandau sind schon Putztrupps aufgetaucht.

Die Polizei rät Autofahrern, die Fenster geschlossen zu halten und bei aggressivem Verhalten Anzeige zu erstatten. Dass es sich bei den Putztrupps um mafiöse Strukturen handelt, wollte ein Sprecher gestern nicht bestätigen. Anwohner am „Kotti“ sehen das anders: „Natürlich ist das die rumänische Mafia“, sagen sie: „Die gleichen Männer, die Frauen und kleine Kinder zum Betteln schicken, treiben hier die Jugendlichen zum Fensterputzen an.“

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