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Berlin: Schön schlau

Nazanin ist Schönheitskönigin, Menschenrechtsaktivistin und Sängerin Mit ihrer Musik kämpft die Kanadierin gegen die Todesstrafe im Iran

Selbst beim Lunch folgt Nazanin der Idee der Nächstenliebe. „Willst du was vom Hühnchen abhaben – du hast ja keines auf dem Salat?“, fragt die frühere Miss Kanada ihr Gegenüber beim Treffen auf der Terrasse eines Hotels in Mitte. Danke für das Angebot, aber wer so viele Termine vor sich hat, sollte sich besser selbst stärken. Die im Iran geborene Künstlerin Nazanin stellte in Berlin ihre Debüt-CD „Someday“ vor, die heute in Deutschland erschien. Someday, eines Tages, da soll der Iran demokratisch sein – so die Vision der im Babyalter mit der Familie nach Kanada geflohenen 27-Jährigen.

Nazanin Afshin-Jam ist in Vancouver zu Hause, doch mit Berlin telefoniert sie häufig, mit dem Büro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai). „Die sind sehr kooperativ.“ Sie hat zwar schon als Model und als Schauspielerin gearbeitet, doch die Leidenschaft der viersprachigen Vize-Miss-World gilt Menschenrechtsaktivitäten. Vergangenen Herbst hat sie auf dem Potsdamer Platz mit „ai“ gegen das Todesurteil für ihre 18-Jährige Namensvetterin Nazanin Mahabad Fatehi demonstriert – sie soll einen Mann erstochen haben, der sie vergewaltigen wollte. „220 000 Unterschriften haben wir weltweit gesammelt, und 43 000 Dollar für die Kaution.“ Die schönste Belohnung für Nazanin war, als die Frau dann aus der Freiheit anrief.

Nazanin hat ihr Diplom in Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen gemacht. „Was ich damals gehänselt wurde! Die anderen haben Partys gefeiert, und ich hab’ einen Debattierclub zu globaler Politik gegründet.“ Heute kämpft sie weltweit auch übers Internet gegen die Todesstrafe für Kinder und Jugendliche, 30 junge Menschen seien verurteilt, „erst kürzlich wurden zwei Männer im Iran gehenkt, weil sie Zärtlichkeiten austauschten“. Dass es „einen Krieg der Glaubensrichtungen“ gibt, findet die Christin, die jeden Sonntag in die Kirche geht, schrecklich. „Dabei soll Spiritualität und Glaube doch den Menschen nur Kraft geben“, sagt sie. Sie entspannt beim Spazierengehen mit ihren drei Hunden, und in Berlin „im Auto, da gucke ich mir die Stadt an“. Dass sie mit 17 Jahren den Pilotenschein machte, Dschungel-Survivalkurse anbot, Kajak und Gokart fährt, segelt, eine Gesangs- und Tanzausbildung hat – auch das habe indirekt mit ihren Wurzeln zu tun. „Weil ich weiß, wie beschränkt andere Frauen leben, will ich im Leben alles ausschöpfen.“ Dass es in Berlin eine iranischstämmige Sängerin gibt, Jasmin Shakeri, die gern mit sexuell-metaphorischen Titeln provoziert, findet Nazanin cool. „Eine Art aktiver Verteidigung von uns Frauen. Go for it, girl!“

Der „Stern“ findet Nazanins Pop-CD „eher schwach – wenigstens ein Makel“. Das kümmert sie wenig. Für sie ist die Musik Teil ihrer politischen Arbeit. Im Iran können sie die Menschen nur über Satellit hören. Da haben es die Berliner besser: Nazanin muss weiter, zum Radio.

Alles zu Nazanin im Internet:

www.bodogmusic.com

Annette Kögel

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