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Berlin: Schon lange nicht mehr vergraben

FEINKOST Gebeizter Lachs ist zum Massenprodukt geworden. Unsere Testrunde fand kaum guten.

Würde man behaupten, Rindfleisch schmecke am besten roh, um ein besonderes Carpaccio zu loben, so hätte man wenige auf seiner Seite. Beim Lachs ist das anders. Sein rotes Fleisch gewinnt nicht unbedingt durch Erhitzung, kann aber mit Rauch behandelt oder mariniert ausgezeichnet schmecken. Dabei kommt es auf zweierlei an: auf die Qualität des Fischs und auf die Zubereitung. Während Rauch den Geschmack ins Schinkenhafte verschiebt und dann die Strukturmerkmale eher in den Vordergrund treten, kehrt der Graved Lachs den Fisch deutlicher zum Vorschein. Dafür aber entwickeln sich bei der osmotischen Wandlung nach dem Einreiben mit Salz, Zucker und Kräutern – allen voran: Dill – sensorische Feinheiten.

Das dänische Wort „graved“, das „vergraben“ bedeutet, erinnert an eine Konservierungsart, die darin bestand, den gebeizten Fisch in Erdlöchern zu lagern. Heute wird diese uralte Methode nur noch verwendet, um absoluten Gourmet-Lachs zu erzeugen, der dann sündhaft teuer gehandelt wird. Die Massenproduktion bedient sich moderner Anlagen, in denen Temperatur und Feuchtigkeit genau kontrolliert werden können. Was dabei herauskommt, wollte die monatliche Testrunde genau wissen und begab sich zum Experten: Thomas Kammeier, Küchenchef des Restaurants „Hugo“ im Hotel Intercontinental ist ein Koch mit Sinn für Proportion und großer Produktkenntnis, die gefragt war, als ein rundes Dutzend Prüflinge in seiner Küche lag.

Von Lachs reden, heißt auch, von seiner Zucht reden. Norwegische, schottische und chilenische Lachsbauern, die alle Welt beliefern, halten die Wandertiere nicht selten wie Schweine auf engstem Raum in submarinen Fjordkoben. Fettes, matschiges, wenig schmackhaftes, dafür billiges Fleisch ist das Zuchtergebnis – mit freundlicher Unterstützung von Kraftfutter, Medikamenten und Farbstoff. Dem Konsumenten begegnet es auf folienbezogenen Pappbrettern im Kühlregal. Da die Deklaration keine klare Auskunft darüber gibt, wie die Fische gezüchtet wurden, war die Runde um Kammeier und Interconti-Küchendirektor Alf Wagenzink aufs sensorische Gespür und die Optik angewiesen. Das Ergebnis war niederschmetternd.

Bei „Freihofer Gourmet Graved Lachs“ von Aldi fand Kammeier die Nähe zu Matjes bemerkenswert. Die Textur des hellen Filets ein bisschen matschig, das Aroma speckig-tranig; den Kräutern gelingt es nicht, diese Eindrücke zu verwischen. Als „Lachs Corned Beef“ bezeichnete Kammeier den nach Holz riechenden und recht süß schmeckenden „Youkon Red Salmon“ und wunderte sich über die Klassifikation als Wildlachs. „Abrahams Platinum Gravadlachs“ kam ihm noch fettiger vor – gleich hat man einen Film auf den Lippen – und zugleich auch wässriger. Zudem störte ihn der Trockendill. „Viel zu fad – und doch dabei fischig“, sagte er und wandte sich Edekas „Laschinger Aqua-Group“ zu. Ihm attestierte er den Duft eines alten Fischkühlhauses gemischt mit dem von Schinkenspeck. Kopfschüttelnd fügte er ein „tranig wie eine Makrele“ hinzu. „Stührk Alaska Wildlachs gravad“ und „Stührk Feinster Lachs Gravad“, beide DLG-prämiert, verdienten sich ebenfalls keine Meriten. Alf Wagenzink verglich sie mit Schillerlocken und beanstandete Räuchernoten. Der „Graved Lachs mit Dillspitzen aus Aquakultur, Norwegen“, den die Feinschmeckeretage des KaDeWe zu 9,90 Euro per 100 Gramm anbietet, mag einmal gut gewesen sein – doch die am Morgen des Tests gekaufte Portion fiel wegen ältlichen Geruchs aus der Wertung. „Wurde von rechts nach links geräumt in der Theke“, vermutete Kammeier.

Rechts, links, oben und unten: Als „Krone Graved-Lachs“ von Perfetto ins kulinarische Fadenkreuz geriet, war die Runde der Resignation bereits nah. Doch er wirkte würzig, wenngleich hier das Salz eine fast schneidende Schärfe entwickelt, gegen die eine eigentümliche Süße zu opponieren scheint. Die Struktur erwies sich zwar fester als bei den meisten Prüflingen, aber Krone hafte, wie Kammeier meinte, ein leichter Schmier an. Relativ trocken und mürbe zeigte sich „Friedrichs Original Graved Lachs“, der durch einen sofort in die Nase steigenden Zitruston eine Frische verströmt, die durchaus gewollt gefällig erscheint, unterstützt von einer schönen Dillnote. Während der Abgang mit unerwarteter Süße vonstatten geht, spielt sich im Mittelgrund nicht viel ab. „Ach, was bleibt, ist wenig“, seufzte der Meisterkoch.

Es blieb der letzte Seufzer des Tages. Denn die beiden Testsieger bewiesen auf sehr unterschiedliche Art dann doch noch, dass Lachs mehr sein kann als ein Brotbelag aus dem Meer. Schon dass „Bio Mare Gravad Dill Lachs“ aus dem Bio-Supermarkt schwer zu zerteilen war, werteten die Fachleute als gutes Vorzeichen. Diese äußerlich eher blasse Ware hat tatsächlich Biss, und ihre Lamellenstruktur ist fühlbar auf der Zunge.

Dem angenehmen, ja authentischen Mundgefühl steht der Geschmack nicht nach. Mild angelegt sowie nur vorsichtig gesalzen, entfaltet sich ein echtes Spektrum auf der Basis leichter Süße. Der Dill wurde gut in Stellung gebracht und erweitert von leisen Tönen wie von Fenchel und Orange.

Nicht nur im Preis übertroffen, sondern im Ganzen wurde Bio Mare von „Caviar House & Prunier Balik Gravlax“. Der im schweizerischen Toggenburg veredelte Fisch (über www.caviarhouse-prunier.com) besitzt nicht nur ein hervorragendes Aroma, sondern auch Geschichte. Sie beginnt mit dem Schauspieler Hans Gerd Kübel, der 1978 auf seinem Berghof mit der Lachsräucherei nach russischem Vorbild begann. Nach wie vor werden Lachse von nur drei Farmen in norwegischen Fjordmündungen bezogen, wo sie viel Bewegungsfreiheit haben und der Gezeitenwechsel das Wasser austauscht. „Man hat richtiges Fischfleisch vor sich, das überhaupt nicht fettig ist“, sagte Kammeier voller Anerkennung, „schon die Farbe spricht Bände.“ Grund genug, Balik in die Bibliothek der kulinarischen Erlebnisse einzureihen.

Außerhalb des Tests: Bemerkenswert gut ist der auf der dänischen Nordseeinsel Fanø geräucherte „Fanø Laks“, den es zur Zeit bei Karstadt/Perfetto gibt.

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