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Berlin: Schröder kämpft für Hartz IV – und für Platzeck

SPD-Parteitag in Brandenburg an der Havel: Die Genossen scharen sich um ihren Landeschef

Brandenburg/Havel – Als Bundeskanzler Gerhard Schröder pünktlich um 11 Uhr am Kongresszentrum in Brandenburg/Havel erscheint, schwillt das Pfeifkonzert an. „Schröder muss weg!“, „Arbeit und keine Almosen“, „Wir wollen Lafontaine“ steht auf den selbst gemachten Plakaten der etwa 450 Demonstranten, die vor dem Landesparteitag der Brandenburger SPD gegen die Hartz-IV-Reformen demonstrieren. Drinnen versuchen knapp 150 Delegierte, sich fünf Wochen vor der Landtagswahl trotz des Unmuts über die Bundespolitik Mut zu machen. Doch manche zweifeln, ob es richtig war, den Kanzler zu diesem Parteitag einzuladen, mit dem die SPD die heiße Phase des Wahlkampfs eröffnet.

Aber dieser oder jener Genosse fühlt sich durch den Auftritt Schröders bestätigt: Erholt aus dem Urlaub und seiner Balkan-Reise zurückgekehrt nutzt der Kanzler seinen ersten öffentlichen Auftritt, um die Arbeitsmarktreformen und seine Politik zu rechtfertigen. Er spannt einen großen Bogen, geht aber mit keinem Wort auf die schlechte ostdeutsche Stimmung, die lautstarken Proteste vor der Tür ein. Dabei weiß auch Schröder um die Nöte der Brandenburger SPD und seines, wie er ausdrücklich betont, „Freundes Matthias“ Platzeck. Fünf Wochen vor der Landtagswahl ist die einst allein regierende SPD in der Wählergunst erstmals auf traurige 28 Prozent abgerutscht. Die PDS hat sie mit 29 Prozent überflügelt und die Christdemokraten sitzen der SPD mit 26 Prozent dicht auf den Fersen. Schröders scharfe Kritik an der neuen „Volksfront“ von CDU und PDS, die gegen Hartz IV mobil mache, dürfte Brandenburgs SPD da kaum weiterhelfen.

Ganz anders Platzeck: In einer sensiblen Rede warnt er Schröder, den Ernst der Lage in Ostdeutschland zu unterschätzen: Jede einzelne Familie in Brandenburg sei von Arbeitslosigkeit, jedes Dorf von Abwanderung und Überalterung betroffen. Hartz IV solle zwar helfen: „Aber, Gerd, so wird es eben nicht wahrgenommen!“, redet Platzeck Schröder zu. Die Leute fragten sich, wo denn eigentlich die Arbeitsplätze seien, die durch Hartz IV besser vermittelt werden sollten. Sehr viel Einfühlungsvermögen und Zuwendung zu den Menschen seien notwendig, denn „hier in Ostdeutschland droht etwas ins Rutschen zu geraten“. Platzecks Botschaft an den Kanzler: Mehr Sensibilität für die ostdeutschen Probleme.

Mit seinen Hauptgegnern im Wahlkampf, der PDS und der CDU, setzt sich Platzeck dagegen nur am Rande auseinander: Es sei gewissenlos, die Menschen aufzuwiegeln, ihnen Angst einzujagen und Panik zu machen, wirft er der PDS vor. Mit populistischer Verweigerung könnten die Probleme nicht gelöst werden. Auch die Ellenbogen-Politik der CDU helfe nicht weiter. Beiden Parteien dürfe das Feld nicht überlassen werden, sagt Platzeck – deshalb wolle er Ministerpräsident bleiben. Die Delegierten spenden stehend Beifall.

Platzeck ist derjenige, der die verunsicherte Partei zum Sieg führen soll. Die Plakate, der Wahlkampf, alles ist auf ihn ausgerichtet. Entsprechend seine Wiederwahl zum Parteichef mit einem furiosen Ergebnis: Er bekommt 95,3 Prozent Ja-Stimmen, bei seinem Start vor vier Jahren waren es nur 80 Prozent.

Matthias Platzeck, das wird hier deutlich, ist die letzte Hoffnung der Brandenburger Sozialdemokratie.

Michael Mara

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