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© dpa

Schülerdemonstration: "Krawall war nicht unser Ziel"

Tausende Schüler gingen gestern in Berlin-Mitte gegen überfüllte Klassen, ungleiche Bildungschancen, Lehrermangel und das verkürzte Abitur auf die Straßen. Rund 1000 von ihnen drangen in die Humboldt-Universität ein und randalierten im Hauptgebäude. Die Initiatoren des Streiks distanzieren sich von dem Krawall. Die Polizei ermittelt.

"Bildung für alle - und zwar umsonst", skandierten die Schüler am Mittwochmittag; auf den Plakaten und Transparenten war von der Bildungsmauer und den unerträglichen Finanzkürzungen im Bildungssystem die Rede. Vom Lautsprecherwagen hallte laute Musik und immer wieder die Aufforderung, den Druck auf die Politik zu verstärken und für bessere Bildungsbedingungen zu kämpfen.

Die Absichten waren gut, die Menge war friedlich, ein paar bunte Haare, hier und da Pali-Tücher und Cannabis-Wolken - die Mehrheit der Demonstranten hatte mit Krawall nichts am Hut. Doch der Protest endete mit Randalen in der Humboldt-Universität (HU) und dem scharfen Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten bei der Abschlusskundgebung am Alex.

Beschmierte Wände, leere Feuerlöscher, heruntergerissene Bilder

Vom Molkenmarkt am Roten Rathaus bewegte sich der Demonstrationszug mit vielen bunten Transparenten und Plakaten in Richtung Bebelplatz, wo eine Zwischenkundgebung stattfand. Kurz vor 13 Uhr lösten sich nach Polizeiangaben mehrere Demonstranten aus dem Verband, die - gefolgt von einer wachsenden Anzahl Schüler - in das Universitäts-Gebäude strömten.

Etwa 1000 Demonstrationsteilnehmer drangen schließlich in die Universität ein. Sie warfen Toilettenpapierrollen aus den Fenstern, entleerten mehrere Feuerlöscher auf den Fluren und in den Vorlesungssälen und beschmierten die Wände mit Anarchie-Zeichen. Sie störten Veranstaltungen durch das Umwerfen von Stühlen und Tischen und rissen Bilder einer Ausstellung über jüdische Unternehmer in der Zeit von 1933 bis 1945 von den Wänden.

"Das war nicht unser Ziel"

"Als wir die Schüler in die Universität strömen sahen, war das erstmal ein tolles Bild", sagt Lee Hielscher von der Landesschülervertretung (LSV) und der Initiative "Bildungsblockaden einreißen", die zu den bundesweiten Streiks aufriefen und die Aktionen organisierten. Die HU gelte schließlich als linke Uni, als Symbol für eine klassenlose Bildung. "Die Uni zu stürmen war jedoch nicht geplant und sie zu beschädigen erst recht nicht Ziel der Demonstration" erklärt der 20-Jährige. Er saß gerade auf dem Lautsprecherwagen und beobachtete das Szenario von draußen. "Als wir dann die Nachricht von der Randale im Gebäude und die Beschädigung der Ausstellung erfuhren, waren wir erstmal schockiert."

Jetzt versuchen die Veranstalter, gemeinsam mit der Studierendenvertretung und der Universitätsleitung die Schäden abzuschätzen und die Ereignisse gemeinsam aufzuarbeiten. Die Bereitschaft zur Randale sei Folge einer neoliberalen Sozialordnung, sagt Hielscher. "Die Ellenbogengesellschaft setzt sich durch, der Kampf um Bildung verhärtet die Fronten. Wir müssen mit der Bildungskritik an die Öffentlichkeit." Im Namen der LSV habe er sich noch am Mittwoch beim HU-Präsidenten entschuldigt.

Universitäts-Präsident verärgert

Gemäß der Absprache mit dem Präsidenten der HU, Christoph Markschies, wurden polizeiliche Maßnahmen nur außerhalb der Universität getroffen. Er reagierte am Donnerstag  bestürzt auf die Beschädigung der Ausstellung über Nazi-Unrecht im Universitäts-Foyer.

Es gäbe keinerlei Rechtfertigung für Gewalt, auch nicht für Gewalt gegen Sachen, sagte Markschies. Die Hochschule werde dafür sorgen, dass "die Freiheit der öffentlichen Rede an einer Universität nicht von denen missbraucht wird, die diese Freiheit im Grunde abschaffen wollen". Er kündigte an, die Ausstellung werde so bald wie möglich komplett wiederhergestellt. Auf einer zusätzlichen Schautafel solle dann über den "unerträglichen Angriff auf die freiheitliche Ordnung dieses Landes" informiert werden.

In der Studentenschaft werde die Aktion ebenfalls intensiv aufgearbeitet, sagt Informatikstudent Peter Hartig. Er habe mit einem Dutzend Kommilitonen versucht, die Randalierer von den Schautafeln fernzuhalten und sie über den Inhalt zu informieren. Bei den meisten habe das gefruchtet. „Aber einigen war es schlicht egal“, so Hartig.

Jüdische Gemeinde verlangt Entschuldigung

Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, hat mit Empörung auf die Randale reagiert. Die Ausstellung zu demolieren, sei eine Beleidigung für die Jüdische Gemeinde, sagte Süsskind.

Nach ihren Informationen sind bei der Aktion auch antisemitische Äußerungen gefallen. Falls sich dies bestätigen sollte, müssten die Jugendlichen "so hart wie möglich bestraft" werden. Süsskind verlangte zudem, dass sich die Schülervertretung für die "blinde Zerstörungswut" bei der Jüdischen Gemeinde entschuldigt. Ebenso müssten sich die Schüler weiter mit diesem Thema auseinandersetzen.

Ermittlungen noch nicht abgeschlossen

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Es müsse geprüft werden, so ein Polizeisprecher, ob sich gewaltbereite Personen mit der Absicht zu randalieren unter die demonstrierenden Schüler gemischt hätten. Von Seiten der Demonstrationsveranstalter wurden Vorwürfe laut, die Beamten hätten die Demonstration am Alexanderplatz unverhältnismäßig brutal beendet. (mit ddp)

Jasmin Rietdorf

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