zum Hauptinhalt

Berlin: Schülerwettbewerb: Mauer-Erzählungen: Opa, wie war das nun an diesem 13. August?

Heute ist in Berlin ein besonderer Tag. Überall in der Stadt wird an den Mauerbau vor 40 Jahren erinnert.

Heute ist in Berlin ein besonderer Tag. Überall in der Stadt wird an den Mauerbau vor 40 Jahren erinnert. Doch nicht nur Politiker und Medien schauen auf jenen 13. August 1961 zurück, der Straßen und Familien trennte. Auch beim Frühstück im Familienkreis und unter Freunden wird diskutiert. Kinder und Jugendliche fragen: Wie lebte es sich eigentlich in einer geteilten Stadt? Wie gingen die Menschen damit um?

Zum Thema Online Spezial: 40 Jahre Mauerbau Fotostrecke: Die Mauer in Bildern Der Tagesspiegel möchte zum gemeinsamen Erinnern anregen und hat deshalb einen Schülerwettbewerb organisiert - gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen und dem Landesschulamt. Dabei sollten Schüler ihre Großeltern fragen, wie sie den 13. August 1961 erlebt haben. Die Resonanz war gewaltig: zahlreiche Aufsätze und Interviews erreichten uns, dazu Fotos und Zeichnungen. Die besten Arbeiten werden nun prämiert und abgedruckt. Einen ersten Preis gewann die 15-jährige Joan Dietze für das Gespräch mit ihrem Opa Kurt, das wir an dieser Stelle wiedergeben.

Kommen wir gleich zur Sache. Wenn ich mich recht erinnere, warst Du damals ein sehr junger Polizist, richtig?

Das ist richtig, Joan. Ich hatte im April 1961 die Polizeischule beendet und wurde zum Einsatzkommando Tempelhof versetzt. Im Dienst fuhren wir Funkwagen und regelten den Verkehr, natürlich per Handzeichen.

Und wie war das nun am 13. August?

Für mich war das sowieso ein ganz besonderer Tag. Ich bin nämlich am 13. August 1938 geboren, also wurde ich am 13. August 1961, einem Sonntag, 23 Jahre alt. Am Samstag feierte ich mit Freunden in meinen Geburtstag hinein. Dies konnten wir, weil mein Dienst am Sonntag erst um 13 Uhr beginnen sollte. Geweckt wurden wir von Deiner Mutter, sie war damals zwei Jahre alt und schrie. Als ich wenig später das Radio anmachte, hörte ich Sondersendungen. Die Regierung der DDR riegelte West-Berlin ab. Ich sagte zu Oma, ich muss zum Dienst, als schon die Aufforderung über Rundfunk kam: "Alle Polizisten zum Dienst!"

Konnte man die Polizisten nicht anrufen?

Damals, liebe Joan, hatte kaum ein Polizist Telefon, und Handys waren auch noch nicht erfunden. Ich zog meine Uniform an, und Oma machte mir ein paar belegte Brote. Mir war klar, dass ich nicht so schnell nach Hause kommen werde. Ich bat Oma: Nimm Deinen Bruder, unsere Tochter und fahre mit der Eisenbahn zu Deinen Eltern. Bleibe dort so lange, bis das mit West-Berlin geklärt ist.

Das hat Oma bestimmt nicht gemacht, oder?

Richtig, Oma sagte sofort: "Nein. Ich bleibe bei Dir."

Wie war es nun mit Dir im Dienst?

Über allem lag eine riesengroße Spannung. Der Funkschreiber ratterte laufend und brachte Meldungen von der Demarkationslinie, so hieß die innerdeutsche Grenze. Mit unserem großen Mannschaftswagen wurden wir zum Brandenburger Tor verlegt. Was ich da sah, werde ich nie vergessen!

Wurde da schon die Mauer gebaut?

Nein! Auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor war die Straße aufgerissen. Unter Bewachung von Kampfgruppen der DDR wurden Pfähle gesetzt und Stacheldraht gezogen. Wir West-Berliner Polizisten waren nur mit einer kleinen Pistole bewaffnet. Unsere Aufgabe war es, Zwischenfälle zu verhindern. Am Abend, die genaue Zeit weiß ich nicht mehr, bildete sich ein Demonstrationszug in Richtung Brandenburger Tor. Wir Polizisten bildeten Ketten, unser einziges Hilsmittel waren ein paar Absperrseile. Wir versuchten, die sehr erregten Menschen zurückzuhalten. Immer wieder mussten wir uns beschimpfen lassen. Und dies, wo wir doch im Inneren der gleichen Meinung waren wie die Demonstranten.

Wie lange warst Du damals im Dienst?

Wir waren zirka eine Woche im Dienst. Wir waren nur kurz zu Hause, haben die Wäsche gewechselt, dann ging der Dienst weiter.

Hast Du denn auch mal mit Polizisten von der anderen Seite Kontakt gehabt?

Ja, Tempelhof hatte ja eine sehr lange Grenze. In den Anfangsphasen hatten wir Kontakt mit den Polizisten, dies ging soweit, dass wir Geschenke über den Zaun warfen. Diese Geschenke - Zigaretten, Schokolade - wurden vom Senat bezahlt. Dann wurden die Truppen ausgetauscht. Es gab keine Berliner Polizisten mehr, und von den Sachsen und Thüringern schlug uns Hass entgegen.

Waren diese Grenzsoldaten Deine Feinde?

Nein, wir bekamen schnell mit, wie lange die armen Kerle Dienst machen mussten und wie schlecht am Anfang ihr Essen war.

Bei Dir hat sich ja beim Öffnen der Mauer am 9. November 1989 noch etwas Besonderes zugetragen ...

So ist es. Ich wurde zu Hause alarmiert und als Leitender Polizeibeamter mit meinen jungen Kollegen zum Checkpoint Charlie geschickt. Es war die schönste Nacht meines Lebens. Ich gebe zu, ich habe ein paar Mal heimlich geweint, als ich die glücklichen Menschen gesehen habe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false